Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Todt] nach Hamburg gebracht werden sollten, sind zu 2/3, und zwar die wertvollsten, gestohlen. Für den Rest mußte ich eine eidesstattliche Erklärung abgeben, daß sie unser Eigentum sind. … Wir haben mit diesen Sachen große Schwierigkeiten gehabt, weil ein Teil aus jüdischem Besitz ist. … Ich bedauere unendlich, daß Herr Speer in seiner schrecklichen Situation damit befaßt worden ist. Wir haben für die Familie Speer in der uneigennützigsten Weise gesorgt, ohne unsererseits auch nur die geringsten Vorteile von ihm in Anspruch genommen zu haben. Sie werden von mir hören, wenn ich zurück sein werde, welche Opfer wir gebracht haben. Sie werden dann die Verstimmung von Frau Speer ebenso unverständlich finden wie wir.«
Robert Frank, Brief aus Mexiko an Heinz Freiberger, 14. April 1954
Welche Tragödie, dass der wertvollste Teil der Bilder beim Verstecken angeblich gestohlen wurde – und es laut Frank somit niemals nach Hamburg geschafft hatte. Ein Musterbeispiel der Irreführung, wie auch Albert Speer später klar werden sollte. Das Fernduell der beiden (inzwischen ehemaligen) Freunde – der eine im Regierungsauftrag in Mexiko, der andere im Spandauer Gefängnis – um die geheim gehaltene Bildersammlung nahm inzwischen bizarre Züge an. Es wirkte wie ein Zweikampf zweier Betrüger, wem denn letztlich der Titel des Erfolgreicheren im Verschleiern, Irreführen, Täuschen gebühre. Noch zeigte sich die Strategie der Franks als wirkungsvoll, denn sie hatten zwei entscheidende Vorteile: Zum einen waren sie physisch im Besitz der Bilder und zum anderen in Freiheit. Zudem musste Albert Speer juristisch stillhalten.
Er schluckte diese bittere Pille – zunächst. Exakt 18 Monate nach Franks Post aus Mexiko schien ein Wendepunkt einzutreten, ohne dass Speer und seine Verbündeten noch einmal aktiv geworden wären. Ende Oktober 1955 lieferte eine Spedition drei Kisten bei Margarete Speer in Heidelberg ab. Der Inhalt: acht Gemälde, Rohgewicht 126 Kilogramm. Absender: Marguerite Frank. Es war ein Teil der geschenkten, überlassenen, gestohlenen Gemälde aus dem Keller der Franks in Eschweiler. Sie mussten annehmen, dass Albert Speer schon bald vorzeitig entlassen würde und sie dann entlarvte. Denn drei Wochen zuvor kursierte in den deutschen Medien eine Meldung, dass seine Freilassung dank einer Entscheidung der sowjetischen Regierung unmittelbar bevorstand. Zwar sollte diese für Hitlers einstigen Rüstungsminister dann doch noch elf Jahre auf sich warten lassen. Doch die Presseente reichte aus, um die Franks in Panik zu versetzen und umgehend zum Handeln zu bewegen.
»Speer war nicht vollkommen ehrlich. Außerdem passte er sein Verhalten ständig den Umständen an, wie es Kriminelle häufig tun. Albert Speer balancierte auf einem dünnen Seil – und schaffte es zeitlebens, nicht herunterzufallen.
Dan van der Vat, Speer-Biograf
Allerdings war Robert Frank gewieft genug, sich noch ein Polster zu verschaffen. Denn er und seine Frau hatten nur den kleineren Teil der von ihnen zurückgehaltenen Bildersammlung zu den Speers nach Heidelberg geschickt – für alle Fälle. Der größere, wertvollere, angeblich gestohlene Rest schlummerte auf Jahrzehnte hinaus in Mexiko, wohin es Robert Frank noch bis ins Jahr 1956 beruflich zog, häufig begleitet von seiner Frau. Das Duell um die vor den Alliierten versteckten Bilder schien entschieden. Die Franks kauften sich sozusagen frei, und Albert Speer hielt von nun an still, vielleicht mit dem Kalkül, besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach zu besitzen. Und auch als Robert Frank 1961 starb, änderte sich nichts an der Situation der Bildersammlung: Seine Witwe überwies weiterhin Jahr für Jahr Aufbewahrungsgebühren für deponierte Wertgegenstände in einer Lagerhalle in Mexiko-Stadt. Jakob Philipp Hackerts »Landschaft mit Motiven des Englischen Gartens von Caserta«, die »Landschaft aus den Pontinischen Sümpfen« von Arnold Böcklin sowie die übrigen rund 30 verschwiegenen Zeugen von Albert Speers Geheimnis verstaubten allmählich – unerkannt, unvermisst, veruntreut. Marguerite Frank hüllte sich zeitlebens in Schweigen. Und ebenso Albert Speer. Er stand bald vor einer neuen Herausforderung: Hitlers Helfer musste sich neu positionieren.
Der »gute Nazi« wird zum Medienstar
Als sich am 1. Oktober 1966 für den Häftling Nummer 5 nach zwanzig Jahren endlich wieder die Pforten zur Welt außerhalb des Alliiertengefängnisses von Spandau öffneten,
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