Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
gefährden. Er verschleierte bewusst, dass die Zwangsumsiedlungen von Juden auf seinen Befehl hin umgesetzt wurden und oft in Deportationen mündeten, obwohl er bei der »Entjudung« Berlins eine Schlüsselrolle gespielt hatte, die gigantischen Umbaumaßnahmen für die Welthauptstadt »Germania« in die Tat umzusetzen. Um den entstehenden akuten Wohnraummangel durch den Abriss ganzer Stadtviertel und Straßenzüge zu beseitigen, ließ Speer ab 1939 tausende Berliner Juden aus ihren Wohnungen vertreiben, die dann von »arischen Abrissmietern« bezogen wurden. Wie die Wissenschaftlerin Susanne Willems später zudem nachwies, stellten Speers Mitarbeiter mit der Gestapo die Transportlisten zusammen, anhand derer zwischen Oktober 1941 und März 1943 etwa 50000 Juden nach Osten deportiert wurden. Für die meisten endete die unfreiwillige Reise tödlich.
»Große Achse«: Die monumentalen Germania-Planungen Speers für Berlin (linkes Bild) hatten ab 1939 den Umbau und Abriss ganzer Straßenzüge zur Folge.
ullstein bild, Berlin (N.N.)
Bereits 1964 hatte Speers engster Mitarbeiter Rudolf Wolters aus der zwischen 1941 bis 1944 von ihm geführten »Chronik der Speer-Dienststellen« einige Passagen, speziell die Räumung der »Judenwohnungen« für Speers »Neugestaltungspläne« Berlins, streichen lassen, die ein äußerst schlechtes Licht auf Speer warfen. Und nun hatte dieser leichtfertigerweise den Stein ins Rollen gebracht, indem er ein »frisiertes« Exemplar an das Bundesarchiv in Koblenz sandte. Die beiden Kumpane schienen sich einig zu sein: Die Beweise mussten unterschlagen werden. Es war der Startschuss für ein echtes Gaunerstück.
Erst viel später kam heraus, dass Speer verantwortlich war für den Rauswurf von 75000 Juden aus ihren Berliner Wohnungen, um Platz zu schaffen für die große Ost-West-Achse der neuen Reichshauptstadt »Germania«. Für mich war das die erste Station der Strecke, die in Auschwitz endete und für viele Juden den Tod bedeutete.
Dan van der Vat, Speer-Biograf
»Eine vertrackte Angelegenheit«: Für seinen ehemaligen Dienstherrn strich Rudolf Wolters in den 1960er-Jahren kompromittierende Passagen aus der »Chronik der Speer-Dienststellen«.
Bundesarchiv Koblenz (Nachlass Rudolf Wolters)
»Lieber Albert, das ist natürlich eine vertrackte Angelegenheit, die Sache mit den ›Verwehungen‹, die Du ›zurechtrücken‹ willst. … Allerdings habe ich mich aber auch gezwungen gesehen, einige ganz wenige Stellen herauszunehmen, die zeitgeschichtlich leider nicht unbedingt unwichtig sind. Zum Beispiel die Stelle: ›In der Zeit vom 18. Oktober bis 2. November (1941) wurden in Berlin rund 4500 Juden evakuiert. Dadurch wurden weitere 1000 Wohnungen für Bombengeschädigte frei und vom Generalbauinspektor zur Verfügung gestellt … Diese sich einige Male wiederholenden Notizen gipfeln dann 1942 in einem abschließenden Bericht Deines Mitarbeiters Cl., aus dem zu entnehmen ist, daß die Zahl der umgesiedelten ›Personen‹ 75000 betrug und insgesamt ›23765 jüdische Wohnungen erfasst‹ wurden. Das ist natürlich eine Leistung! … Man könnte das von mir vorgeschlagene Korrekturverfahren den Archivmännern gegenüber damit begründen, daß es erheblich billiger und einfacher wäre, die paar Stellen oder Seiten auszuwechseln, als etwa 800 Seiten zu fotokopieren. Oder aber sag’ ihnen einfach: ›Der Kerl rückt das Original nicht raus.‹ Ich würde meine Gründe mit Vergnügen angeben. Im übrigen kannst Du beruhigt sein; ich habe verfügt, daß das Original der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, sobald keinem mehr ein Schaden daraus erwachsen kann. … Und nun entscheide Du, großer Rüstmeister!«
Rudolf Wolters, Brief an Speer, 10. Januar 1970
Zunächst einmal musste Adjutant Wolters seinen ehemaligen Chef ins Bild setzen, dass die Überlassung der »Original-Chronik« an das Bundesarchiv durchaus heikel sei, denn er habe sich damals »gezwungen gesehen, einige ganz wenige Stellen herauszunehmen, die zeitgeschichtlich leider nicht unbedingt unwichtig« seien. Zum Beispiel, dass »die Zahl der umgesiedelten »Personen« 75000 betrug und insgesamt 23765 jüdische Wohnungen erfasst« wurden. »Das ist natürlich eine Leistung!«, schrieb Wolters Anfang 1970 an Speer. Eine Leistung, die Speers systematische Vertreibung der Berliner Juden beweist – der erste Schritt auf deren langem Weg in die Konzentrationslager. Rudolf Wolters, der getreue Diener, hatte offenbar seinen
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