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Geheimnisse des 'Dritten Reichs'

Geheimnisse des 'Dritten Reichs'

Titel: Geheimnisse des 'Dritten Reichs' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Vorgesetzten Speer zwei Jahre vor dessen Haftentlassung schützen wollen.
    Speer entschied sich für eine Geschichtsfälschung zu seinen Gunsten. Auf einer Urlaubspostkarte aus dem Südtiroler Grödnertal ordnete er das Komplott an: »Ich schlage vor: Die entsprechenden Seiten existieren nicht mehr.« Und Wolters entgegnete umgehend, er habe die ganze Zeit über gesucht, »wo das Chronikoriginal geblieben sein könnte. Um es gleich zu sagen: es ist spurlos verschwunden, es ist weg, es ist nicht mehr da, es existiert einfach nicht mehr.« Wie praktisch. Drei Wochen später teilte Speer dem Bundesarchiv mit Bedauern die Unauffindbarkeit der Original-Chronik mit: »Es tut mir leid, in dieser Angelegenheit nicht erfolgreicher gewesen zu sein; jedenfalls ist es für zukünftige Historiker wertvoll genug, das, was erhalten wurde und sich im Bundesarchiv befindet, zur Verfügung zu haben. …« Albert Speer forderte die Kontrolle seiner eigenen Geschichte – und erlangte sie. In seinen Zeilen schwang eine große Erleichterung mit.
    Speers selektive Erinnerungen
    Zur Zeit der Vertuschungsaffäre katapultierte sich Albert Speer Ende 1969 mit seinen Memoiren in den Schriftstellerolymp. Seine vielsagenden – und Wesentliches verschweigenden – Erinnerungen schossen sofort an die Spitze der Bestsellerlisten und erreichten bald die Millionenmarke. National und international erlangten Speers Memoiren eine enorme Reichweite. Hitlers Ehrgeizling machte noch einmal Karriere. Selten hat wohl eine Nation mit all ihren Schuldkomplexen so sehr eine Veröffentlichung ersehnt. Die deutsche Gesellschaft lechzte förmlich nach Innenansichten aus dem Machtzentrum des »Dritten Reichs«. Dass Albert Speer kein neutraler Beobachter, aus der Vogelperspektive beschreibender Experte war, sondern tief verstrickt in die Gräueltaten, schienen selbst professionelle Rezensenten bei der Lektüre häufig zu vergessen: Im Rückblick überraschend kritiklos, übernahm man die Sichtweise des verurteilten Kriegsverbrechers vom Hitler-Regime und seiner eigenen Rolle. Allerdings bediente sich Speer zweier anerkannter Persönlichkeiten der Verlags- und Medienbranche und ihres hervorragenden Leumunds, speziell in konservativen Kreisen: Verleger Wolf Jobst Siedler und Journalist Joachim Fest. Der NDR-Redakteur und Moderator des Magazins »Panorama«, ein brillanter Autor, brachte Speers Aufzeichnungen und Gedanken in die rechte Form und erzeugte die gewünschte Wirkung. In puncto Selbstdarstellung schien Speer in Fest einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. Und mit Siedler verband ihn der Geschäftssinn. Ein unschlagbares Trio, von dem jeder auf seine Weise profitierte – am meisten aber wohl Albert Speer. So zahlte das Flaggschiff des Springer-Konzerns, die Welt , für die Rechte eines Vorabdrucks seiner Memoiren als Serie über 600000 D-Mark. Kein schlechtes Geschäft für einen Mann, der noch drei Jahre zuvor im teuersten Sicherheitstrakt der Welt gefangen war.

    »Speers Helfer«: Der Journalist und Buchautor Joachim Fest brachte die Aufzeichnungen des ehemaligen Hitler-Vertrauten in die richtige Form.
    Süddeutsche Zeitung Photo, München (Sven Simon)
    Siedler und Fest avancierten zu Speers Helfern bei der millionenfachen und weltweiten Verbreitung seines öffentlichkeitswirksamen »mea culpa«. Der einstige Kriegsminister schaffte es tatsächlich, obwohl der entscheidende Mann in Waffen- und Rüstungsfragen, sich als unwissend hinsichtlich Themen wie Zwangsarbeit, Konzentrationslager, Judenvertreibung und -vernichtung zu präsentieren. Für zahlreiche Deutsche müssen der stilvolle, aufrechte, überzeugend wirkende »Herr Minister« und sein Bekenntnis zur Verantwortung entlastend gewirkt haben. Speer spielte seine Rolle mit großer Überzeugung und machte sich die Perspektive vieler zunutze, die dachten: »Wenn der engste Vertraute Hitlers von den schrecklichen Geschehnissen schon nichts wusste, wie hätte ich dann davon ahnen können.« In der Verweigerung einer Anerkennung von persönlicher Schuld waren sich Speer und große Teile der deutschen Gesellschaft offenbar einig.

    Speers Buch Erinnerungen war bald ganz oben in den Bestsellerlisten zu finden.
    picture alliance, Frankfurt (dpa)
    Er sagte mir: »Ich habe es nicht gewusst!« Und gleichzeitig hat er offen gesagt: »Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich nicht handeln können, also habe ich es verdrängt, um handeln zu können.« Es ist diese Ambivalenz, dass er im Bekenntnis zugleich das

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