Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Januar 1941 ergeben sich in Libyen italienische Soldaten den vorrückenden Briten.
Bayerische Staatsbibliothek, München (Fotoarchiv Hoffmann)
Hitler versprach zu helfen, nicht allein aus Solidarität, sondern durchaus auch aus eigenem Interesse. Die Unterstützung sollte die drohende Kapitulation der Italiener mit all ihren – auch psychologischen – Auswirkungen auf die Achsenmächte verhindern. Sie konnte zudem feindliche Truppen binden und vor allem die britischen Versorgungswege im Mittelmeer empfindlich stören. Hitlers vollmundige Ankündigung gegenüber Mussolini, man werde zur Unterstützung der italienischen Truppen »den verwegensten Panzergeneral, den wir in der deutschen Armee besitzen« nach Nordafrika schicken, ist oft als Beweis der hohen Wertschätzung Rommels durch den Diktator interpretiert worden. Man kann die Sache freilich auch anders sehen: Für seine »große und eigentliche Aufgabe: die Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus« (Hitler am 2. Juni 1940), die spätestens mit der berüchtigten Weisung Nr. 21 zum »Fall Barbarossa« vom Jahresende 1940 beschlossene Sache war, schien Rommel verzichtbar zu sein. Nordafrika dagegen war für Hitler und die deutsche Militärführung von Anfang an nur ein Nebenkriegsschauplatz.
Rommel besitzt die Fähigkeit, seine Truppen mitzureißen. Dies ist für den Heerführer einer Truppe, die unter besonders schwierigen atmosphärischen Verhältnissen zu kämpfen hat wie in Nordafrika, eine absolute Notwendigkeit.
Hitler
Entsprechend wurde Rommel durch das Oberkommando des Heeres (OKH) instruiert, dass seine Aufgabe rein defensiver Natur sei: Es gelte, vor Tripolis eine Verteidigungslinie aufzubauen und den britischen Vormarsch aufzuhalten. Mit nennenswerten Verstärkungen könne der kleine, anfangs lediglich aus zwei Divisionen bestehende Sperrverband nicht rechnen. Dem ungestümen Rommel dürften solcherart Pläne kaum gefallen haben. Als Defensivkünstler hielt er sich für deplatziert. Womöglich köderte Hitler ihn im persönlichen Gespräch deshalb mit ähnlichen Argumenten, wie er sie zuvor in einem Schreiben an Mussolini verwendet hatte: Durch »das rein defensive Halten der Stellung« könne das weitere Vordringen der Engländer nicht verhindert werden. Die Abwehr selbst müsse offensiv geführt werden. Angriff statt Verteidigung? Das war schon eher nach Rommels Geschmack. Vor allem sein ausgeprägtes Talent zur Improvisation und sein Mut, ungewöhnliche Wege zu beschreiten, machten ihn in Hitlers Augen zum geeigneten Kandidaten für die Aufgabe in Nordafrika, nachdem der Kriegsherr zuvor mit dem vom OKH vorgeschlagenen Hans Freiherr von Funck einen typischen Vertreter des preußisch-deutschen Offizierskorps abgelehnt hatte.
Als Rommel am 12. Februar 1941, nur sechs Tage nach seiner Audienz bei Hitler, zum ersten Mal afrikanischen Boden betrat, strotzte er geradezu vor Selbstbewusstsein. Seinem skeptischen Ordonnanzoffizier Heinz Werner Schmidt erklärte er mit Nachdruck, man werde nach Osten vorstoßen, dann eine Rechtswendung machen und schließlich die nach dem Ersten Weltkrieg verloren gegangenen deutschen Kolonien zurückerobern. Schmidt war verblüfft. Ähnliche Gefühlsregungen erhoffte sich Rommel auch bei seinem Kriegsgegner, denn unmittelbar nach seiner Ankunft trat »General Bluff« in Aktion. Aus Pappe und Holz ließ er Gestelle zimmern, die aus der Ferne wie Panzer aussahen, aus der Nähe betrachtet aber bestenfalls kleine Kinder erschrecken konnten. Die wenigen Fahrzeuge, die Rommel umgehend Richtung Front schickte, mussten Äste und Eisenketten hinter sich herziehen – der so aufgewirbelte Staub sollte den Eindruck einer gewaltigen Streitmacht erwecken, die sich dem Feind zur Schlacht stellte. Als Mitte März dann tatsächlich die ersten deutschen Panzer in Tripolis eintrafen, ließ Rommel diese bei einer Parade mehrfach um den Häuserblock fahren – und gaukelte den gegnerischen Beobachtern so eine Gefechtsstärke vor, über die er gar nicht verfügte.
Das erste Mal sah ich Rommel, als wir in den Hafen von Tripolis einliefen. Er stand am Kai, wild gestikulierend, und versuchte, uns Dampf zu machen. Er wollte die Truppe möglichst schnell in die Uniformen und an die Waffen bringen, da er einen Angriff der Engländer auf Tripolis befürchtete.
Winrich Behr, Offizier des DAK
Es erscheint jedoch mehr als fraglich, ob sich die Briten mit solchen Taschenspielertricks ins Bockshorn jagen ließen – besaßen sie doch sehr viel
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