Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Tobruk im Juni 1942 besichtigt Rommel ein provisorisches Lager mit britischen Kriegsgefangenen.
Bundesarchiv Koblenz (Bild 101I-785-0299-24A, Foto Moosmüller)
Doch war Rommel wirklich der geniale Feldherr, als den ihn die deutsche Propaganda hinstellte, als der er auch von den Briten gesehen wurde? Sicher, wieder einmal hatte sich Rommel als meisterlicher Taktiker erwiesen. Doch die Erfolge des Frühjahrs 1942 hatten auch einen sehr viel profaneren Hintergrund: Im Sommer 1941 – noch vor der Kriegserklärung der Achsenmächte an die USA im Dezember desselben Jahres – war es dem militärischen Nachrichtendienst der Italiener gelungen, aus einem Safe in der US-Botschaft in Rom einen geheimen diplomatischen Code samt allen Verschlüsselungstafeln zu entwenden, zu kopieren und unbemerkt wieder zurückzubringen. Alle Funksprüche, die mit dem sogenannten »Black Code« verschlüsselt waren, konnten fortan von Italienern und Deutschen mitgelesen werden. Rommels bester Mann saß deshalb jetzt in Kairo: der US-Militärattaché Bonner F. Fellers – Rommel nannte ihn seine »gute Quelle«. Beinahe täglich kabelte Fellers, der von den Briten mit Material versorgt wurde und auch selbst ausgedehnte Frontbesichtigungen unternahm, äußerst detaillierte Berichte über die Stärke, Aufstellung und die Pläne der Briten nach Washington. Damit war auch Rommel über die strategischen und taktischen Absichten seines Gegners bestens informiert. Rommel konnte seine Kräfte deshalb punktgenau ansetzen. Ein Großteil seiner Erfolge von Januar bis Juni 1942 war auf die »gute Quelle« zurückzuführen.
»Wie ein Traum«: Aus den Händen Hitlers erhält Rommel Ende September 1942 die Ernennungsurkunde zum Feldmarschall und den Marschallsstab.
Bundesarchiv Koblenz (Bild 183-R80531)
»Gute Quelle«: US-Militärattaché Bonner F. Fellers wurde ohne sein Wissen von der deutschen Feindaufklärung abgeschöpft.
Corbis, Düsseldorf (Bettmann)
Fellers’ präzise Lagebeurteilungen waren es auch, die Rommel jetzt in seiner Absicht bestärkten, den geschlagenen Briten unverzüglich nachzusetzen. In Kairo sei es bereits zu Freudenkundgebungen der arabischen Bevölkerung gekommen, so Fellers, und in einigen britischen Kommandobehörden in der ägyptischen Hauptstadt gebe es untrügliche Anzeichen von Panik. Wieder einmal wollten Rommels Vorgesetzte von der Verfolgungsjagd nichts wissen – doch einmal mehr schlug sich der »Führer« auf dessen Seite.
Man müsse die Briten bis »zum letzten Hauch eines einzelnen Mannes« verfolgen. »Die Göttin des Schlachtenglücks streicht an den Feldherren immer nur einmal vorbei. Wer sie in einem solchen Augenblick nicht erfaßt, wird sie oft niemals mehr einzuholen vermögen.« Rommel jedenfalls wollte ihr auf den Fersen bleiben. »Alle Einheiten bereiten sich auf den weiteren Vormarsch vor«, lautete sein Funkspruch nach der Eroberung von Tobruk. Seinem Dolmetscher Wilfried Armbruster stellte er schon die weiteren Ziele vor Augen: »Wenn wir so weitermarschieren, können wir uns bis nach Palästina durchschlagen.« Und insgeheim gab es da noch den großen »Orientplan«: die Eroberung der Ölfelder in Persien und die Vereinigung mit dem deutschen Ostheer. Und so sangen die Soldaten, die teils an die Ostfront, teils nach Afrika transportiert wurden, etwa am Hauptbahnhof Leipzig: »In Jerusalem am Bahnhof, werden wir uns wiedersehn!«
Heute stehen wir hundert Kilometer vor Alexandria und haben das Tor Ägyptens in der Hand.
Rommel, 3. Oktober 1942
Mit einem möglichen Vormarsch der deutschen Truppen geriet jedoch nicht nur Kairo oder der strategisch wichtige Sueskanal in Gefahr, sondern auch der Zufluchtsort vieler verfolgter Juden. Mehreren hunderttausend war es gelungen, vor den Mordkommandos der Nationalsozialisten ins vermeintlich sichere Palästina zu entfliehen. Jetzt machte sich unter ihnen Angst breit: Was würde geschehen, wenn es den deutschen Truppen gelang, tatsächlich bis ins Heilige Land vorzustoßen? Erst jüngst wurde publik, dass die Pläne für die Ausdehnung des Holocaust in den Nahen Osten schon in den Schubladen des Reichssicherheitshauptamts lagen. Unmittelbar nach der Eroberung von Tobruk wurde der Stab eines »Einsatzkommandos Ägypten« zusammengestellt und nach Libyen in Marsch gesetzt.
»Exekutivmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung«: Walther Rauff leitete das »Einsatzkommando Ägypten«.
Yad Vashem Jerusalem, Israel
An der Spitze stand SS-Obersturmbannführer
Weitere Kostenlose Bücher