Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Später wollte er auch das Reichskanzlerpalais in Berlin sowie den »Berghof« mit Kunst nach seinen Vorstellungen dekorieren. Ausgestattet mit dem nötigen Geld aus dem Fonds der »Adolf-Hitler-Spende«, steigerte sich sein Sammlerdrang fast zur Besessenheit. »Wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, ein bestimmtes Bild zu besitzen, dann kannte er kaum noch eine Grenze für den Kaufpreis. … Der Diktator betrat selten selber eine Kunsthandlung. Oft wählte er Werke aus den Katalogen aus und beauftragte Mittelsmänner, bestimmte Werke für ihn zu ersteigern. Da er diese Aufträge oft doppelt vergab, trieben seine Beauftragten auf den Auktionen mitunter gegenseitig die Preise hoch«, schreibt der Historiker Hanns-Christian Löhr in seiner Studie Das Braune Haus der Kunst . Hitler beauftragte Kunsthändler, gezielt nach Spitzweg-Gemälden Ausschau zu halten.
Seine Vorliebe galt den Malern der »Deutschen Schule« des 19. Jahrhunderts, moderne Malerei bezeichnete er als die Ausdrucksform »irrsinniger und verkommener Menschen« und als »verkrüppeltes Gekleckse«, das er als »entartet« ablehnte. Gelungene realistische Werke waren für ihn Ausweis künstlerischen und handwerklichen Könnens – dies fand er bei Malern wie Lenbach, Spitzweg und Makart, Feuerbach und Waldmüller. Die niederländische Schule interessierte ihn kaum, wohl aber die Kunst der italienischen Renaissance. Als Quintessenz bleibt, dass er bereit war, viel Geld für seine private Sammlung auszugeben. Doch zu einem – künstlerischen wie finanziellen – Großprojekt wurde seine Leidenschaft erst 1938. Mit dem »Anschluss« begann auch die Verfolgung der österreichischen Juden; manche von ihnen besaßen herausragende Kunstsammlungen, wie etwa Louis und Alphonse Rothschild. Als die beiden von der Gestapo verhaftet wurden, beschlagnahmte man die Kunst, die sie besaßen – eine vollkommen illegale Aktion. Andere jüdische Sammler übereigneten ihren Kunstbesitz den Behörden, um die sogenannte »Reichsfluchtsteuer« aufzubringen, die ihnen eine Ausreise ermöglichte. Wieder andere verkauften vor ihrer Flucht oder erzwungenen Emigration Gemälde und Kunstwerke. All dies bedeutete, dass Bewegung in den Kunstmarkt kam und viele Werke plötzlich zum Verkauf standen. Die Kunsthändler hatten alle Hände voll zu tun – und nun trat verstärkt auch Hitler als Käufer auf den Plan. Die ursprüngliche Privatsammlung, stark von Hitlers persönlichem Geschmack geprägt, lieferte nur einen kleinen Grundstock. Wenn sein ersehntes »Führermuseum« zu einem Haus von europäischen Rang werden sollte, mussten wesentliche Teile der projektierten Sammlung erst angeschafft und professionell kuratiert werden. Diese Aufgabe übernahm der Dresdner Museumsdirektor Dr. Hans Posse.
»Tempel der Kunst«: Anlässlich seines 49. Geburtstags 1938 erhält Hitler als Geschenk der deutschen Industrie drei Gemälde für das Linzer Museum.
Süddeutsche Zeitung Photo, München (Scherl)
Der neue Kurator wurde im Juni 1938 zum »Berghof« befohlen, um die »Linzer Museumsangelegenheit« zu besprechen. In dieser Sammlung »sollte, so notierte Posse in sein Tagebuch, nur das ›Beste aus allen Gebieten‹ enthalten sein. Posse nahm den ›Sonderauftrag‹ an, dieses Museum aufzubauen. Hitler versicherte, ihm alle notwendigen Vollmachten zu verschaffen«, schreibt der Historiker Hanns-Christian Löhr über den Beginn des »Sonderauftrags Linz«. Zu den Vollmachten gehörte auch, dass für die Kunstwerke, die im Zuge des Österreich-»Anschlusses« beschlagnahmt oder sichergestellt worden waren, ein »Führervorbehalt« erlassen wurde, also ein Vorkaufsrecht für Hitler. Aus diesem Bestand – meist waren es Objekte, die vorher jüdischen Besitzern gehört hatten – gingen 117 hochkarätige Werke in die Sammlung ein. Dafür musste Posse marktübliche Preise bezahlen. Im »Dritten Reich« wurde in Sachen Kunst zu dieser Zeit noch legalistisch gehandelt – Gesetze sollten der Form nach eingehalten werden, auch wenn das Handeln dem Geist des Gesetzes widersprach. Die jüdischen Besitzer wurden zumeist nicht schlicht enteignet – dafür reichte der gesetzliche Rahmen nicht. Doch man konnte »Zwangsverkäufe« über eine zentrale Ankaufsstelle des Reichs anordnen. Um der Form zu genügen, musste also Geld fließen, zumeist wurden auch realistische Preise gezahlt. Dass die ursprünglichen Besitzer von diesem Geld nicht profitierten, weil sie unter Emigrationsdruck gesetzt wurden
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