Geheimnisse des Himmels
krächzte Kaithlyn kraftlos. Sie drehte den Kopf, um Kaine und Melora direkt anzusehen, doch keiner der Zwei schenkte ihr Beachtung. Sie sah, wie sich Meloras Augen mit Tränen füllten. Sie war ein Bild des Elends. Schmutzig, verletzt und völlig ausgelaugt. Bei ihren nächsten Worten brach ihre Stimme weg, schweigend starrte sie Kaine an. Seine Miene wirkte gefasster denn je. „Was will Fye tun?“, fragte Kaithlyn lauter. Sie spürte, wie sie langsam die Kontrolle über ihren Körper zurückgewann, die Benommenheit sich verflüchtigte. Kaine überging ihre Frage.
„Wir werden uns einen Weg nach draußen bahnen“, sagte er entschlossen. „Ich bilde die Vorhut und Melora wird die Nachhut bilden, ihr bleibt in unserer Mitte und werdet tun, was wir euch sagen.“
Melora wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie ganz weiß wurden. „Ausnahmsweise stimme ich mit Kaine überein. Los.“ Keiner widersprach. Alle waren erschöpft. Dicht aneinander gedrängt traten sie aus dem Schutz der Trümmer hervor. Sie schafften es einige Meter zu überbrücken, ohne dabei auf ein Hindernis zu stoßen. Kaithlyn konnte inzwischen wieder alleine gehen. Auch Harlow war wieder bei klarem Verstand, die Augen wachsam, dicht an Kaithlyns Seite.
Das war unglaublich. Harlow gab ihr keine Antwort.
Der Saal erschien unendlich groß, wie ein weites Meer aus Zerstörung und Angst. Die Banshees hatten nicht nachgelassen, obwohl sie inzwischen deutlich in der Unterzahl zu sein schienen. Ihre Schreie erfüllten noch immer die Luft. Kaithlyn zwang sich den Blick nach vorne zu richten, die Details auszublenden…reglose Körper, Blutlachen, Namen, die in schierer Verzweiflung ausgerufen wurden. Sie fasste Mara fester bei der Hand, ließ Liam nicht aus den Augen. Wir werden es schaffen. Wir werden es schaffen. Wir -
„Mom! Dad!“, schrie Rose. Ihre Eltern standen hinter einem rüstig wirkenden Mann mit langem, gewellt braunen Haar. Der Mann schien sie und ein paar andere Leute zu beschützen. Mit den Händen gab er Anweisungen, scheuchte die kleine Gruppe immer weiter, auf eines der zersplitterten Fenster zu. Die kühle Nachtluft wehte zu ihnen herüber, scharf und eisig. Rose und ihre Eltern fielen sich in die Arme. Liam steuerte auf einen Mann zu, den er offenbar kannte. Kaithlyn ließ Maras Hand los, damit sie Liam folgen konnte.
„Geh mit ihnen“, raunte Kaine ihr im Befehlston zu. Sie blieb unschlüssig stehen. Die Dämmerung, die Abendluft, der blaue Nachthimmel, Freiheit, Sicherheit – all das lag in der einen Richtung, Angst, Verzweiflung, Kämpfe, Gefahr – in der anderen. „Nein.“
Noch immer tobten Kämpfe. Kaithlyn erschauderte. „Ich…ich helfe“
„Ach ja? Und was willst du tun?“, sagte Kaine barsch.
„Sie kann zaubern“, sagte Melora. Kaines Miene entgleiste für einen Moment. Kaithlyn und Melora tauschten einen schnellen Blick. Sie verstand. Melora verstand, warum Kaithlyn nicht einfach gehen konnte, all das zurück lassen konnte. Kaithlyn hatte das schreckliche Gefühl, das alles ihre Schuld war. Ihre Feier, ihre Verantwortung.
„Seit wann das denn?“
„Das ist völlig egal, aber glaubst du nicht, dass zu viel Zeit vergeht, ehe wir sie losgeworden sind?“, erwiderte Melora und klang fast wieder nach ihrem normalen grimmigen selbst. Kaine sagte nichts. Er schien zu wissen, das Kaithlyn eine Belastung sein würde, schließlich war es sein Auftrag, sie zu beschützen. Er rang mit sich.
„Ich werde diesen Auftrag so etwas von vermiesen“, murmelte er und gab dem Beschützer der kleinen Gruppe ein Zeichen, das er, Melora und Kaithlyn weiter ziehen würden.
Kapitel 14
Der, der den Fluch auf sich nimmt
Die Welt war in einer Zeitlupe gefangen. So kam es Kaithlyn vor. Die Sekunden wurden zu Minuten, endlos, unnatürlich langsam verstreichend. Sie bereute ihre Entscheidung keinen Augenblick, aber ihre Sorge um Rose und viele, die sie kannte, zerfraß ihre Gedanken, ebenso wie Reue es tun würde. Der Schwindel, die Steifheit - jegliche Anzeichen die ihre Kombic mit Harlow hinterlassen hatte waren abgeklungen, aber ihr rasendes Herz machte keine Pause. Sie war sich sicher, dass es jederzeit aus ihrer Brust springen würde oder es vorher einfach stehen blieb. Ob es Melora und Kaine genauso ging? Wenn ja, dann ließen sie es sich nicht anmerken. Vielleicht reichte Kaithlyns Aufmerksamkeit auch einfach nicht mehr aus, um die Details zu
Weitere Kostenlose Bücher