Geheimnisse des Himmels
Freunde wohl auf seid. Zu meinem Bedauern hatte ich bisher keine Zeit, um euch persönlich zu begrüßen. Entschuldige dies bitte, es gab einen dringlichen Grund dafür. Ich erwarte dich gegen sechs Uhr in meinem Büro.
Lyon Karacord
Kaithlyn las den Brief noch einmal. In seinem Büro? Brauchte sie etwa einen Termin, um ihren Großvater zu treffen? Melora schien die Frage nach dem Inhalt des Briefes auf der Zunge zu liegen. Ihr unverhohlener Blick durchbohrte sie. Kaithlyn faltete ihn und steckte ihn in ihre Hosentasche.
„Miss Hayworth, ich werde Sie dann um sechs zu ihm geleiten“, sagte Mr Roberts und rückte seine Krawatte zurecht. Kaithlyn sagte nichts. Nicht nur das dieser Brief nicht sehr aufschlussreich war, nein, Mr Roberts schien seinen Inhalt zu kennen. Kaithlyn hatte sich mehr erhofft. Sie sah in die Gesichter der anderen und bezweifelte stark, dass diese Drei bereits ihre Freunde waren.
„Ich habe einen Termin bei ihm“, sagte Kaithlyn mürrisch.
„Er wird sich sicher genug Zeit für Sie nehmen, Miss Hayworth“, sagte Mr Roberts freundlich.
„Ich habe auch noch einiges zu tun. Entschuldigen Sie mich nun.“
Er verließ das Esszimmer im Eilschritt. Leise hörte man seine Schritte verhallen.
Kaithlyn nahm neben Fye Platz. Melora saß ihm wieder einmal gegenüber. Vielleicht brauchte sie den Anblick seines hübschen Gesichtes am Morgen, so wie manch andere eine Tasse Kaffee? Kaithlyn starrte auf ihren leeren Teller.
„Gut“, murmelte sie leise vor sich hin. Unzufrieden begann sie sich alles Mögliche auf ihren Teller zu häufen. Melora sah sie verdutzt an. Vielleicht suchte sie nach einer Gelegenheit über Kaithlyn herzuziehen und Kaithlyns Tischmanieren würden ihr einen Grund liefern, wie Kaithlyn wusste.
„Es tut mir leid wegen gestern, okay?“, sagte sie nachgiebig zu Melora,
„Okay“, sagte Melora eine Spur verlegen.
„Eigentlich ist es nicht nur das…“
Kaithlyn wandte sich an niemand bestimmten.
„Seit ich von zu Hause weg bin, fühle ich mich ständig so…“, begann Kaithlyn die nicht wusste, wie sie sich ausdrücken sollte. Ihr Kopf schwirrte. Ihr Herz ordnete die Gefühle. Da war jede Menge. Neugier. Angst. Entrüstung. Enttäuschung. Ahnungslosigkeit. Ratlosigkeit. Unverständnis. Misstrauen. Hilflosigkeit. Hoffnung. Bedauern. Unterlegenheit. Freude und Kummer. Nie hatte ihre Gefühlslage aus so vielen aufwühlenden Emotionen bestanden. Der Beginn einer Konfrontation mit ihren Wünschen und Ängsten hatte viel zum Vorschein gebracht. Diese auferlegte Freiheit ließ sie so einiges in Frage stellen, manchmal war beständige Sicherheit besser. Dieser letzte Gedanke hätte glatt Relias sein können.
Kaine griff an ihr vorbei, nach einem Stück Brot und ging ohne etwas zu sagen. Flüchtig wie ein Geist verschwand er in den Weiten des Anwesens. Kaithlyn sah ihm nach.
„Was hat er?“
„So ist er eben“, sagte Melora.
„Woher kennt ihr euch?“, wollte Kaithlyn wissen.
„Von…früher“, antwortete Melora kurz.
Es wurde unangenehm still, so als hätte Kaine ihnen etwas von der unbeholfenen Atmosphäre gestohlen. Kaithlyn biss in eine Waffel. Sie duftete köstlich und schmeckte auch so.
„Ich verstehe rein gar nichts“, sagte Kaithlyn mit einem Blick auf Harlow.
„Wir sind in einer ganz anderen Welt aufgewachsen“, sagte Fye aufmunternd.
„Fragen hilft“, steuerte Melora höflich bei.
„Das ist es ja…ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll“, sagte Kaithlyn verblüfft über Meloras Freundlichkeit. In Fyes Nähe war sie viel ausgeglichener.
„Die Sache mit meinem Großvater…“, begann Kaithlyn.
„Es war sehr schwer ihn ausfindig zu machen“, sagte Fye plötzlich und machte eine Pause.
„Es gibt zwar viele erdenkliche Zauber und andere Dinge für so etwas, aber bis vor kurzen, wusste niemand, wo er sich versteckt hatte. Es war fast so als sei er einfach verschwunden.“
„Wie hast du es geschafft?“, fragte Melora, die Kaithlyn ihre Frage damit abnahm.
„Ihr müsst wissen, das Mr Karacord, der Einzige verbleibende der Familie Karacord ist, bis auf Relia Abadon, die nach ihrer Heirat einen anderen Namen angenommen hatte, weit weg zog und Alyssa Hayworth, die verschwunden ist. Lyon Karacord hat sich schon immer verdeckter gehalten und sehr zurück gezogen gelebt. Ich für meinen Teil, dachte die Blutlinie der Karacords wäre ausgestorben.“
Er musterte Kaithlyn eindringlich.
„Mit dem Verschwinden seiner Tochter
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