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Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Titel: Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Freund bezeichnen zu dürfen.
    Hitler über Mussolini, 10. September 1943
    Im Anflug auf den Gran Sasso hatten die Lastenseglergespanne eine hohe Bergkette zu überfliegen. Deswegen flog das Führungsgespann sicherheitshalber eine 360 Grad-Kurve, um sich so in die Höhe zu schrauben und dann auf altem Kurs weiterzufliegen. Die anderen Gespanne aber flogen das Manöver nicht mit – so war auf einmal nicht mehr Leutnant Berlepsch mit seinen Fallschirmjägern an der Spitze des Verbandes, sondern Lastensegler Nr. 2 – und in dem flogen Otto Skorzeny und seine SS -Truppe in den Einsatz. Es war dem Zufall zu verdanken, dass der SS -Offizier und seine Leute es waren, die um 14.05 Uhr als Erste auf dem Gran Sasso, direkt auf der Rückseite des Hotels, landeten. In einiger Entfernung zum Hotel hatten sich die Lastensegler von den Schleppflugzeugen ausgeklinkt und waren lautlos zum Ziel geschwebt.
    Diese ersten Minuten des Einsatzes waren entscheidend. Entsprechend den Maßstäben eines Special Operations -Einsatzes musste beim Gegner ein Überraschungseffekt erzielt und schlagartig eine »relative Überlegenheit« des Angreifers hergestellt werden. Das gelang, so scheint es, am Gran Sasso. Skorzeny, General Soleti und sieben SS -Männer waren als Erste am Boden, diese Chance nutzte Skorzeny. Danach dauerte es angeblich nur vier Minuten, bis er das Zimmer Mussolinis erreicht hatte und ihm die Nachricht von seiner Befreiung verkünden konnte. In seiner Version der Geschichte rühmt sich Skorzeny, dass er italienische Wachen beiseitegestoßen, aber bewusst auf jeglichen Einsatz der Schusswaffe verzichtet habe, um auf jeden Fall ein wildes Feuergefecht zu verhindern. Zudem habe er den italienischen General Soleti bewusst an seiner Seite gehalten, damit dieser den Italienern bedeute, nicht zu schießen. Kurz darauf hätten sämtliche italienischen Bewacher kapituliert und seien von den überlegenen Fallschirmjägern entwaffnet worden. In der Darstellung Skorzenys erweist sich die Aktion als kühn, der Erfolg stellte sich blitzschnell ein, die Italiener seien vollkommen verdattert gewesen, kein Schuss sei abgefeuert worden. Ein Triumph seines Willens und präziser militärischer Planung.

    »Punktlandung«: Einer der neun DFS-Lastensegler vor dem Hotel »Campo Imperatore« auf dem Gran Sasso.
    Bundesarchiv, Koblenz (Bild 101I-567-1503B-05/Toni Schneiders)
    Doch ganz so war es nicht. Es hätte keines Skorzeny bedurft, um Mussolini zu befreien; die Fallschirmjäger hätten den Auftrag mindestens so gut erfüllt wie der später gefeierte Held des Tages. Denn die 73 italienischen Wachen hatten von ihren eigenen Offizieren schon vorher den Befehl erhalten, nicht zu schießen. Auf dem Gran Sasso war der hochrangige Polizeioffizier Giuseppe Gueli verantwortlich für den gefangenen Mussolini. Und Gueli wusste an diesem Sonntag, dem 12. September 1943, bereits, dass Deutsche auf dem Weg waren, Mussolini zu befreien. Das teilte ihm um 12 Uhr der Polizeipräsident von Aquila telefonisch mit. Die Fallschirmjägerkolonne auf dem Weg nach Assergi war ein deutliches Indiz für eine bevorstehende Aktion. In Bezug auf Mussolini solle »massima prudenza« – also größte Vorsicht – angewandt werden, betonte der Polizeipräsident. Schon am 9. September hatte Gueli per Funk aus dem Innenministerium in Rom das gleiche, wohl verabredete Stichwort erhalten: »massima prudenza« lautete die Anweisung, die ihm auch Carmine Senise, Polizei- und Sicherheitschef der Badoglio-Regierung, gab. Gueli interpretierte das auf seine Weise: Mussolini dürfe im Fall eines Befreiungsversuches nicht erschossen werden, den Befreiern solle kein Widerstand entgegengesetzt werden. Gueli rechnete für den 13. September mit einem Angriff der Deutschen und teilte dem verantwortlichen Offizier am Gran Sasso, Leutnant Alberto Faiola, mit, dass »jedes Blutvergießen vermieden« werden müsse.
    Man muss sich bewusst machen: Die Unterzeichnung des Waffenstillstands ist erst vier Tage her, und die Bewacher haben keine Ahnung, warum sie nicht wie die italienischen Soldaten nach Hause dürfen; es ist klar, dass die Deutschen kommen und Mussolini holen werden, aber nicht, warum man dafür kämpfen und sterben soll.
    Marco Patricelli, Historike
    Sergio Lepri, Jahrgang 1919, hat eine plausible Erklärung für diese Wendung: An jenem 9. September waren die Badoglio-Regierung und der König im Begriff, sich von Rom nach Brindisi abzusetzen. Die Flüchtenden wussten nicht, ob die

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