Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Deutschen ihre Kolonne aufhalten würden und ob sie Brindisi je erreichen würden. Zur eigenen Rückversicherung war es wohl im Interesse Badoglios, dass Mussolini nichts geschehen und dass man dessen Befreiung nicht aufhalten würde. Darüber hatte es zwar keine Absprache mit den Deutschen gegeben, vermutlich aber einen pragmatischen Beschluss innerhalb der italienischen Führung. Sie wollte eine weitere Eskalation verhindern, um in dieser prekären Situation die eigene Flucht nicht zu gefährden.
»Vereinzelte Gefechte«: Deutsche Fallschirmjäger führen während der Kämpfe im September 1943 gefangene Italiener ab.
Ullstein Bild, Berlin (N.N.)
Am 9. September begannen die Deutschen, mit Gewalt in Rom einzurücken; im ganzen Land war die Rache der überlegenen Wehrmacht zu befürchten, falls Mussolini etwas geschähe. Der deutsche Oberbefehlshaber für Mittel- und Unteritalien, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, wusste nichts von dem Plan zur Befreiung Mussolinis. Doch in diesen chaotischen Tagen stellte er seine eigenen pragmatischen Überlegungen an. Er sah zu, wie Badoglio und dessen Regierung aus Rom flohen, obwohl die Stadt von deutschen Truppen umstellt war. Am 10. September erreichten Badoglio und der König Brindisi. Kesselrings Kalkül war, dass sich die Regierung durch die Flucht diskreditierte; wichtig dabei war, dass die italienische Armee nun de facto führungslos war. So konnten die 800000 Mann der »Badoglio-Divisionen«, die in Italien standen, leichter durch die Wehrmacht entwaffnet werden. Kesselring also ließ Badoglio ziehen, dieser gab in seiner Bedrängnis den Gefangenen Mussolini preis. Badoglio, der im Kolonialkrieg gegen Abessinien den Einsatz von Giftgas zu verantworten hatte, aber auch der König, der lange Mussolinis Kriegspolitik gestützt hatte, waren ohnehin nicht daran interessiert, dass der einstige »Duce« den Alliierten übergeben würde – zu groß war ihre Furcht, dass dieser vor einem alliierten Tribunal mit ihnen abrechnete.
Mit der ersten Seilbahn, die ja von uns auch eingenommen werden musste, kam auch dieser PK-Berichter – PK abgleitet vom Wort »Propagandakompanie« –, und für den wurden dann so ein paar Szenen nachgestellt, das heißt, einige Kameraden von uns mussten in so einen Segler rein und mussten dann mehr oder weniger darstellen, wie sie nach der Landung aus dem Segler heraussprangen und dann ihre entsprechenden Einsatzaufgaben durchführten.
Hans Kohlrautz, Fallschirmjäger
Es war diese Atmosphäre, die Gueli dazu bewegte, am 10. September zwei schwere Maschinengewehre vom Dach des Hotels entfernen zu lassen. Als zwei Tage später die Lastensegler um das Hotel »Campo Imperatore« niedergingen, waren die Italiener zwar überrascht, aber sie hatten bereits den Befehl, auf gar keinen Fall zu schießen. Hätten sie es gewollt, wären MG-Schützen auf dem Dach in der Lage gewesen, ein Blutbad unter den Deutschen anzurichten, die in ihren Lastenseglern im Moment der Landung am verwundbarsten waren. Eine Landung bei Tageslicht auf einer verteidigten Landezone kann selbstmörderisch sein – und die schnelle Erringung einer »relativen Überlegenheit« ist unter solchen Umständen kaum möglich. Die Fallschirmjäger und Skorzenys SS -Männer waren entschlossen und kampfbereit – aber sie trafen nicht auf feindlich gesonnene Gegner. Die italienischen Soldaten waren vier Tage nach der italienischen Kapitulation am 8. September eben noch nicht aufseiten der Alliierten. Viele waren unsicher, ob ihre Loyalität Badoglio gehören sollte. Der war doch gerade aus Rom geflohen! Die Deutschen waren stark, wenige Tage zuvor waren sie noch Verbündete gewesen. Sie wollten Mussolini befreien? Sollten sie ihn doch mitnehmen, ein Blutbad war dieser Mann nicht mehr wert. Auf etlichen Bildern, die Propagandafotografen der Wehrmacht am Gran Sasso schossen, ist zu sehen, dass die italienischen Soldaten gar nicht entwaffnet wurden. Mit geschulterten Maschinenpistolen stehen sie gemeinsam mit den deutschen Befreiern um Mussolini herum, lächeln in die Kamera und lassen sich stolz auf Erinnerungsfotos verewigen. Bewaffnete Italiener standen ebenfalls am Hang und winkten, als Mussolini um 15.20 Uhr mit dem Fieseler Storch vom Gran Sasso entschwebte.
Deutsche und Italiener stellen sich am Gran Sasso zum Erinnerungsfoto auf. Deutlich ist zu erkennen, dass die italienischen Soldaten nicht entwaffnet waren (vorne links).
Bundesarchiv, Koblenz (Bild 101I-567-1503C-16/Toni
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