Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
»immer mehr in die Abhängigkeit von diesem Mittel« kam.
Aus den Aufzeichnungen von Hitlers Leibarzt Morell geht hervor, dass er seinen Patienten überdurchschnittlich mit Medikamenten versorgte, wobei man zu Morells Entlastung sagen kann, dass sich die meisten Präparate in der Rückschau als harmlos erwiesen.
Hans-Joachim Neumann/Henrik Eberle, »War Hitler krank?«
Damit meinten sie allerdings die »Vitamultin-Täfelchen«, ein Aufbau- und Stärkungspräparat, mit dem Morell die einseitige Diät Hitlers ausgleichen wollte und das Hitler täglich in größeren Mengen zu sich nahm. Hergestellt wurde Vitamultin in Morells eigenen pharmazeutischen Betrieben, den Hamma-Werken, unter der direkten Aufsicht seines Chefchemikers Kurt Mulli. Dabei wurden für Hitler stets nur kleine Chargen produziert, deren jeweilige Zusammensetzung Morell und Mulli in nächtlichen Telefonaten aktuell besprachen. Verpackt waren die Täfelchen in Gold- oder Silberfolie, die mit dem Aufdruck »S. F.« oder »S. R. K.« [»Sonderanfertigung Führer« bzw. »Reichskanzlei«] versehen und dadurch für den Eingeweihten kenntlich waren.
Doch enthielt dieses Präparat tatsächlich die Droge Pervitin? Diese Frage will der ehemalige Ernährungsinspektor der Waffen- SS Dr. Ernst-Günther Schenck beantwortet haben. Schenck war während des Kriegs Mitarbeiter im berüchtigten SS -Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, das für den Betrieb der Konzentrationslager und die Ausbeutung der Sklavenarbeiter verantwortlich war. »1942 oder 1943«, schreibt er, wurde ihm ein »Gold-Vitamultin-Täfelchen« überbracht, das der Arzt »unter Code-Bezeichnung« auf »die Masse an Vitamingehalt und anderweitige Inhaltstoffe« in einem Labor untersuchen ließ. Das Ergebnis der Analyse soll laut Schenck gelautet haben: »u. a. Koffein und Pervitin in mir nicht mehr erinnerlicher Konzentration«. Eine Aussage, die zumindest bezweifelt werden kann. In den ausführlichen Aufzeichnungen von Morell, der sonst jedes Medikament akribisch vermerkte, findet sich jedenfalls kein Nachweis dafür, dass Hitler jemals auch nur die kleinste Einheit Pervitin bekommen hat. Der renommierte Hitler-Forscher Ian Kershaw urteilt folgendermaßen: »Ob Hitler Amphetamine nahm […], ist ungewiss. Dass er von ihnen abhängig war […], lässt sich nicht beweisen, auch nicht, dass sein Verhalten davon beeinflusst war.« Und auch die Neurologin Ellen Gibbels, die im Rahmen ihrer Forschung über Hitlers Parkinson-Erkrankung ein intensives Quellenstudium betrieben hat, schließt eine Pervitinabhängigkeit Hitlers aus.
»Am 19. Juli [1943] flog Hitler nach Italien, um sich […] mit Mussolini zu treffen. Es gelang ihm, Mussolini davon zu überzeugen, das Bündnis mit Deutschland, die sogenannte Achse, nicht aufzukündigen. In dieser zweistündigen Unterredung wirkte Hitler euphorisch und ließ Mussolini kaum zu Wort kommen. Gesundheitlich hatte Hitler den Tag gut und beschwerdefrei überstanden, wofür er Morell, der ihm für die Besprechung Vitamultin-Täfelchen empfohlen hatte, am Abend auf dem Obersalzberg dankte. Es handelt sich hierbei um eine der wenigen Situationen, von denen angenommen werden kann, dass Hitler mit den pervitinhaltigen Vitamultin-Täfelchen versorgt wurde.
Hans-Joachim Neumann/Henrik Eberle, »War Hitler krank?«
Herzattacke und Schlaganfall?
Als Hitler im Herbst 1940 die Pläne für den Überfall auf die Sowjetunion schmiedete, hatte er auch den Standort für sein neues Hauptquartier Wolfsschanze im Rastenburger Wald in Ostpreußen persönlich ausgesucht. Doch die Lage in der Nähe der Masurischen Seenplatte erwies sich als ungünstig. Hitler litt im Sommer unter der schwülen Hitze und klagte über Atemnot und Herzbeklemmung. Dass ihm sein Herz in letzter Zeit immer öfter zu schaffen machte, hatte er schon seiner Geliebten Eva Braun und seinem Rüstungsminister Albert Speer anvertraut. Und auch Morell hatte an Hitlers Beinen Ödeme festgestellt, die er auf eine Leistungsschwäche des Herzens zurückführte. Zu einer akuten Verschlechterung von Hitlers Zustand kam es im Juli 1941 bei einem heftigen Streit mit seinem Außenminister Joachim von Ribbentrop, als dieser den Angriff auf die Sowjetunion generell infrage stellte und Hitler lautstark vorhielt: »Der liebe Gott lässt sich nicht in die Karten schauen!« Laut Ribbentrop wurde Hitler darauf weiß vor Wut, brach aber mitten in der Antwort ab und fasste sich ans Herz: »Hitler sah aus wie der Tod. Er konnte
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