Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Wirklichkeit hatte die Krankheit Hitlers keinen Einfluss auf seine Entscheidungsfähigkeit. Wie die Hitler-Forscher Hans-Joachim Neumann und Henrik Eberle darlegen, konnte »von einer Führungskrise im August 1941 keine Rede sein: Gegen die Vorstellungen des Oberkommandos des Heeres änderte Hitler die Strategie des Vormarschs und befahl, die Einnahme Moskaus durch die Heeresgruppe Mitte einzustellen, da Moskau seiner Ansicht nach durch eine Zangenbewegung der Heeresgruppen Nord und Süd leichter einzunehmen war. Zugleich forcierte er den Vormarsch in der Ukraine, wofür wirtschaftliche Überlegungen den Ausschlag gaben.« Und weiter: »Nicht die Änderung des Vormarschs war entscheidend, sondern die Reaktion der Gegenseite. […] Es war die erfolgreiche Gegenoffensive der Roten Armee im Dezember 1941, die den deutschen Feldzug stoppte. […] Hitlers Ruhrerkrankung und die tatsächlich nicht vorhandene ›Führungsschwäche‹ hatten mit dem Verlauf des Krieges nichts zu tun.«
»In erster Linie an Koronarsklerose denken«: Hitlers EKG vom 14. August 1941 erbrachte keine Hinweise auf eine schwerwiegende Herzerkrankung.
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
Sobald sich Hitler von seiner Ruhrerkrankung einigermaßen erholt hatte, konnte ihn Morell am 14. August 1941 dazu bewegen, ein Elektrokardiogramm ( EKG ) aufzeichnen zu lassen, um die vermutete Herzattacke abzuklären. Da der Arzt selbst kein Herzspezialist war, schickte er die Kurvenstreifen unter dem Decknamen »Patient A« zur Auswertung an den damals führenden deutschen Herz-Kreislauf-Experten, den Kardiologen Professor Dr. Karl Weber. Diesem teilte Morell lediglich mit, dass es sich bei dem Patienten um einen »angestrengt tätigen Diplomaten« handle. Weber diagnostizierte, dass man »in erster Linie an Koronarsklerose denken müsse«, also an eine Verkalkung der Herzkranzgefäße, und empfahl weitere Kontrollen in kurzfristigen Abständen. Da der Experte aber zu keiner speziellen Therapie geraten hatte, war Morell nicht weiter beunruhigt und versicherte Hitler, dass sein Herz gesund und dass eine Veränderung der Herzkranzgefäße für sein Alter durchaus normal sei. Vorsorglich ergänzte der Leibarzt die bereits nicht geringe Palette von Hitlers Medikamenten um eine Reihe herz- und kreislaufstärkender Mittel.
Hitler wollte als Patient gar nicht zu seiner Gesundheit beitragen. Von einer Änderung der Lebensweise wollte er nichts wissen.
Traudl Junge 1967 über Hitlers Weigerung, gesünder zu leben
1943 schickte Morell erneut eine EKG -Aufzeichnung Hitlers an den Herzspezialisten Weber. Dieser stellte eine Verschlechterung fest und schrieb nicht sehr ermutigend: »Die Aufnahme vom 11. v . d. J. bestärkt mich in meiner damaligen Diagnose: Koronarsklerose, es handelt sich augenscheinlich um einen progredienten [fortschreitenden] Fall. […] Man kann ja in solchen Fällen niemals eine bestimmte Prognose stellen, aber die Wahrscheinlichkeit spricht für keinen sehr günstigen Verlauf, nähere Zeitangaben zu machen ist jedoch nicht möglich.« Als Therapie empfahl Weber neben mehrwöchigen Medikamentenkuren eine flüssigkeits- und salzarme Ernährung und einen etwaigen Nikotinkonsum absolut einzustellen. Zugleich riet er zu einer »regelmäßigen Mittagsruhe von mindestens einer Stunde und so viel wie möglich Nachtschlaf«. Obwohl der Herzspezialist die Identität des Patienten nicht kannte, war ihm bewusst, wie schwer solche Maßnahmen in Kriegszeiten umzusetzen waren: »Ich sehe wohl ein, dass diese an sich absolut indizierten Maßnahmen bei einem Herrn in verantwortungsvoller Stellung heutzutage schwer oder überhaupt nicht durchführbar sind, aber soviel als möglich sollte doch zur Erhaltung erfüllt werden.«
Nach dem Essen in angeregter Unterhaltung noch bis um ½3 h am Kamin (ohne Feuer) und für frische Luft gesorgt. F[ührer] erklärte mir mehrfach, dass er sich wieder wohl fühle.
Notiz Morells über Hitlers ungesunde Schlafgewohnheiten, 24. März 1943
In der Tat stellte der Experte eine düstere Prognose, da Hitler die empfohlene Therapie schwerlich umsetzen konnte. Medikamentös war er durch Morell bereits gut versorgt, Nichtraucher war er sowieso schon, und an mehr Schlaf in der Nacht war in Hitlers Augen nicht zu denken, da er nach eigener Überzeugung erst ins Bett gehen konnte, »wenn der letzte feindliche Flieger den deutschen Luftraum verlassen hatte«. Ob Hitler diese ungünstige Beurteilung des
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