Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
paranoide Wahnvorstellungen gehören – mit angeblich verheerenden Folgen. So soll Hitlers veränderte Psyche ab Sommer 1942 auch deutliche Auswirkungen auf seine militärischen Entscheidungen gehabt haben, wie das desaströse Halten Stalingrads um jeden Preis oder die aussichtslose Ardennenoffensive.
»Bei Hitler verschlimmerten die intravenös verabreichten Amphetamine die manisch-depressiven Symptome seiner bipolaren Störung. Dieses Zusammenspiel wurde von Psychiatern und Historikern bislang nicht wahrgenommen. […] Sie haben einfach nie verstanden, dass dieser Amphetaminmissbrauch vor allem deshalb so gefährlich war, weil er die vorhandene bipolare Störung verstärkt hat.
Der amerikanische Psychiater Nassir Ghaemi über seine Theorie, nach der Hitler an einer psychischen Affektstörung litt
Die deutsche Neurologin Ellen Gibbels sieht das anders. Sie hat sich umfassend mit Hitlers Nervenerkrankung auseinandergesetzt und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis. Neben Morells Notizen und zahlreichen Zeugnissen von Zeitgenossen hat die Wissenschaftlerin auch Filmaufnahmen von Hitler in 83 Folgen der Deutschen Wochenschau aus den Jahren zwischen 1940 und 1945 ausgewertet. Dabei konnte sie nachweisen, dass für Parkinson typische Symptome wie der einseitige Ruhetremor und »Haltungsanomalien«, zum Beispiel Hitlers gebückte Haltung, ab 1941 eindeutig zu konstatieren waren. Allerdings wurden die bei Parkinson-Kranken üblichen psychischen Symptome bei Hitler nicht festgestellt. So zeigte der Diktator keine Anzeichen von Demenz oder verlangsamten Denkabläufen. Gibbels ist sich sicher, dass Hitler durch seine Krankheit in seinen Entscheidungen weder beeinflusst noch beeinträchtigt war: »Insgesamt sind die nach unseren Erhebungen allenfalls zu vermutenden psychopathologischen Veränderungen bei Hitler so gering, dass sie auf seine militärischen und politischen Entscheidungen während der letzten Kriegsjahre einen zu vernachlässigenden Einfluss ausgeübt haben dürften.«
Nachlassende Sehkraft
Hitler wusste, dass er mit seinem Blick eine besondere Wirkung ausüben konnte. So erinnerte sich seine langjährige Sekretärin Christa Schröder nach dem Krieg noch an ihre erste Begegnung mit dem Diktator und den Eindruck, den er bei ihr hinterließ: »Als ich sein Arbeitszimmer betrat, fiel mir der intensive Blick seiner blauen Augen auf.« Und auch Hitlers Begleitarzt Hanskarl von Hasselbach schrieb 1946: »Es ist sinnlos zu behaupten, dass Hitlers Blick starr oder tot gewesen sei. […] In Wirklichkeit waren Hitlers Augen außerordentlich belebt und faszinierend und neben dem Wort das entscheidende Mittel seiner ungewöhnlichen Suggestivkraft.« Umso schlimmer war für Hitler die Tatsache, dass seine Augen ihm mit zunehmendem Alter Probleme bereiteten. Bereits 1935 war ihm eine Lesebrille verordnet worden, die er aber aus Eitelkeit selbst vor dem innersten Kreis kaum trug. Vielmehr behalf er sich, indem er die Dokumente für seinen persönlichen Gebrauch auf einer eigens für ihn angefertigten »Führerschreibmaschine« tippen ließ, deren Lettern 12 Millimeter groß waren.
»Nachlassende Sehkraft«: Hitler ließ sich nur ungern mit Brille fotografieren. Diese Aufnahme stammt aus einem privaten Album von Eva Braun.
Ullstein Bild, Berlin (Roger Viollet)
Bei Lagebesprechungen verwendete der Diktator eine Lupe oder ließ sich Dokumente vorlegen, die mit einer speziellen »Führerschreibmaschine« geschrieben waren.
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
Ab 1941 klagte Hitler bei seinem Leibarzt häufiger über Sehstörungen und Augenschmerzen. Morell zog schließlich Professor Dr. Walter Löhlein hinzu, den Direktor der Augenklinik der Berliner Charité. Der stellte »eine leichte Trübung des rechten Glaskörpers« fest und verordnete eine neue Brille, da Hitler rechts weitsichtig war und nur mehr über 50 Prozent Sehkraft verfügte. Die Öffentlichkeit durfte von alledem nichts erfahren. Der Diktator ließ seine Sehschwäche geheim halten und untersagte es, Bilder zu veröffentlichen, die ihn mit Brille zeigten. Auch bei den täglichen Lagebesprechungen, bei denen die Augen durch das Kartenlesen stark beansprucht wurden, trat Hitler seinen Generalen nur in Ausnahmefällen mit Brille gegenüber. Stattdessen benutzte er lieber eine starke Lupe. Anfang 1945 war Hitlers Sehkraft schließlich so schlecht geworden, dass er mit dem rechten Auge nur sehr wenig sah, wie er gegenüber seinem
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