Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Leibarzt klagte. Doch bis zuletzt musste das Bild vom gesunden und leistungsfähigen »Führer« aufrechterhalten werden. Noch am 10. April 1945 notierte Morell: »Mittags hatte ich das Rezept von Dr. Löhlein umgeschrieben, da er darunter gesetzt hatte: ›für den Führer‹.« Drei Wochen später war Hitler tot.
Konjunktivitis wahrscheinlich durch Wind und Staub verursacht, da im Hofe viele Gebäudetrümmer liegen. Mit dem rechten Auge sähe er nur sehr wenig, erklärte der Führer. Ins Auge träufele ich Kokain-Suprareninlösung.
Morells Notiz über eine Bindehautentzündung Hitlers im März 1945
Nur ein halber Mann?
Im November 2008 veröffentlichte ein polnischer Autor den Augenzeugenbericht eines deutschen Sanitäters aus dem Ersten Weltkrieg und provozierte damit reißerische Schlagzeilen: »Wie Hitler seinen Hoden verlor!« Die Erinnerungen stammten von Johann Jambor, der im Oktober 1916 während der Schlacht an der Somme eingesetzt war: »Seit mehreren Stunden hatten Jambor und sein Kamerad verwundete Soldaten vom Schlachtfeld geborgen, darunter auch Hitler. Doch bei dem Versuch, Hitler ins Lazarett zu schaffen, gerieten sie wieder in französisches Feuer und mussten ihn liegen lassen.« Hitler soll darauf um Hilfe geschrien und sogar damit gedroht haben, die beiden angsterfüllten Sanitäter vor ein Kriegsgericht zu bringen. Schließlich schafften ihn die Sanitäter in ein Lazarett: »Sein Unterleib und seine Beine waren voller Blut. Hitler war am Unterleib verletzt und hatte einen Hoden verloren. Seine erste Frage an den Arzt war: Kann ich noch Kinder zeugen?« Angeblich behielt Johann Jambor sein Wissen jahrzehntelang deshalb für sich, weil er während der Nazi-Herrschaft in der ständigen Angst lebte, Hitler könnte versuchen, ihn aufzuspüren und verschwinden zu lassen.
Tatsächlich tauchten erste Gerüchte um Hitlers Hoden schon während seiner Regierungszeit auf. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde unter britischen Soldaten ein Spottlied populär, dessen erste Zeile lautete: »Hitler had only got one ball, the other is on the kitchen wall« – Hitler hat nur einen Hoden, der andere hängt an der Küchenwand. Eine weitere Quelle für den angeblichen Verlust eines Hodens ist der Autopsiebericht der sowjetischen Gerichtsmediziner, die im Mai 1945 die Überreste seiner verbrannten Leiche untersucht hatten. Darin heißt es: »Im Hodensack, der angesengt, aber erhalten ist, wurde nur der rechte Hoden gefunden.« Und später präzisieren sie: »Der linke Hoden konnte weder im Hodensack noch im Samenstrang innerhalb des Leistenkanals oder im kleinen Becken gefunden werden.«
Hitler (hintere Reihe, 2. von rechts) während seines Lazarettaufenthalts in Beelitz im Oktober 1916. Die Behauptung, er habe bei seiner Verwundung einen Hoden verloren, gehört ins Reich der Legende.
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
Heute weiß man allerdings, dass die Geschichte von Hitlers fehlendem Hoden eine Legende ist. Der Weltkriegsexperte Thomas Weber ist sicher, dass die Darstellung Johann Jambors als Erfindung einzustufen ist: »Selbst wenn wir die Tatsache außer Acht lassen, dass in keiner militärischen oder medizinischen Akte Hitlers eine Verletzung des Unterleibs erwähnt ist und dass Hitler nicht ›gefunden‹ werden musste, da er nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Unterstand der Meldegänger des Regimentsstabs verwundet wurde, ist Jambors Bericht alles andere als überzeugend. Sollte Hitler tatsächlich einen Hoden verloren haben und von Jambor gerettet worden sein, ist es unwahrscheinlich, dass sich ein Sanitäter, der im Lauf des Krieges Hunderten, wenn nicht sogar Tausenden verwundeten Soldaten begegnete, ausgerechnet die Verletzung und den Namen dieses Soldaten gemerkt hätte, der zu jener Zeit vollkommen unbekannt und unbedeutend war.«
Und auch der russische Obduktionsbericht liefert nicht den vermuteten unerschütterlichen Beweis. Zum einen waren die russischen Soldaten bei der Bergung der Leiche nicht sonderlich vorsichtig zu Werke gegangen. Hitlers Überreste waren zunächst mehrmals ein- und wieder ausgegraben worden, bevor sie in Decken eingewickelt und für den Transport in hölzerne Munitionskisten verpackt worden waren. Es ist durchaus denkbar, dass der Hoden dabei einfach verloren gegangen war. Zumal die Leiche durch das Feuer bereits so »stark verkohlt« war, dass es unmöglich war, »das Aussehen des Toten zu beschreiben«. Entscheidend ist aber
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