Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Einnahme dieser »gefährlichen« Tabletten gestattete. Umgehend zog er Hitlers chirurgische Begleitärzte Brandt und Hasselbach ins Vertrauen. Die sahen endlich die lang ersehnte Gelegenheit gekommen, den mächtigen und unbeliebten Leibarzt zu Fall zu bringen. Heimlich stellten die Begleitärzte Untersuchungen an und konfrontierten Morell schließlich mit ihren Vorwürfen. Morell gab in seinen Aufzeichnungen Brandts Behauptungen folgendermaßen wieder: »Der Führer hat täglich 16 Antigas-Pillen genommen, die so viel Strychnin enthielten, dass dies nahe an die Höchstdosis herankomme. Die jetzigen und die ganzen seitherigen Erkrankungen seien eine chronische Strychninvergiftung. […] Und das Zittern wäre auch darauf zurückzuführen. […] Ich [Brandt] habe die Beweise in der Hand, dass es sich hier um eine glatte Strychninvergiftung handelt.«
Dabei handelte Morell durchaus verantwortungsvoll. Er beachtete die vorgeschriebenen Tagesmaximaldosen der Medikamente, die er – auch wenn ihm die Begleitärzte das unterstellten – selten überschritt. Morell holte sich auch bei anderen Fachärzten, etwa den Professoren der Berliner Charité, Rat.
Hans Joachim Neumann/Henrik Eberle über die Behandlungsmethoden Morells
»Diese Blödels«: Im Oktober 1944 entließ Hitler seine langjährigen Begleitärzte Karl Brandt (2. von rechts) und Hanskarl von Hasselbach (4. von rechts).
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
Doch die Begleitärzte hatten falschgelegen. Hitler war zwar in den zurückliegenden Wochen gesundheitlich angeschlagen gewesen und hatte Symptome einer Gelbsucht gezeigt. Allerdings war die Ursache dafür nicht die vermutete Strychninvergiftung, sondern die Folge eines Gallenrückstaus. Tatsächlich war der Strychningehalt in den Antigas-Pillen nur verschwindend gering. Und da Hitler das Mittel bereits seit knapp zehn Jahren einnahm und die Dosis nach der Katastrophe von Stalingrad sogar noch erhöht hatte, hätten sich im Laufe der Zeit längst Vergiftungserscheinungen einstellen müssen. Hitler selbst war allerdings maßlos darüber verärgert, dass man einen Angriff auf seinen Leibarzt gewagt hatte. Am 9. Oktober 1944 wurden Brandt und Hasselbach entlassen und einen Tag später auch Giesing von seinen Aufgaben entbunden. Seinem Leibarzt gegenüber äußerte Hitler: »Dass diese Blödels [die Begleitärzte] sich gar nicht überlegt haben, was sie dadurch mir angetan hätten […], [sie] mussten doch wissen, dass Sie [mir] in den 8 Jahren […] schon mehrfach das Leben gerettet haben.« Und Morell nutzte die Gelegenheit, um seine Person noch einmal ins rechte Licht zu setzen, indem er erwiderte: »Mein Führer, wenn ein Normalarzt Sie seither zu behandeln gehabt hätte, dann wären Sie so lange Ihren Arbeiten entzogen worden, dass das Reich darüber zugrunde gegangen wäre. Ich musste stets Kurzbehandlungen mit Hochdosen machen und dabei an die Grenzen des Zulässigen gehen. […] aber ich habe und kann die Verantwortung tragen, denn wenn Sie längere Zeit hätten aussetzen müssen in der jetzigen Zeit, wäre Deutschland in die Brüche gegangen.«
Wenn ich meinen treuen Morell nicht hätte, wäre ich ganz aufgeschmissen.
Hitler über seinen Leibarzt
Hitlers Zähne
Der Körper, den zwei russische Geheimdienstoffiziere am 5. Mai 1945 aus einem Granattrichter im Garten der Berliner Reichskanzlei geborgen hatten, war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Als der gerichtsmedizinische Chefsachverständige der 1. Weißrussischen Front, Dr. Faust Schkarawskij, die sterblichen Überreste des unbekannten Mannes drei Tage später untersuchte, vermutete er zwar, dass es sich dabei um die Leiche Adolf Hitlers handelte, sicher war er sich aber keineswegs. Aus diesem Grund verwendete er die größte Sorgfalt darauf, die Zähne des Mannes genau zu untersuchen, und vermerkte in seinem Bericht: »Der wichtigste anatomische Fund, der zur Identifizierung der Person ausgewertet werden kann, ist das Gebiss mit vielen Brücken, Zähnen, Kronen und Füllungen.«
Hitlers Gebiss: Die Überreste von Hitlers Zähnen liegen heute in einem Moskauer Archiv.
Historisches Büro, Halle
Diese Brücken, Kronen und Füllungen waren das Werk von Dr. Hugo Johannes Blaschke – dem Zahnarzt Adolf Hitlers. Blaschke, der seit den 1920er-Jahren am Berliner Kurfürstendamm eine angesehene Praxis betrieb, war bereits 1931 in die NSDAP eingetreten und zählte zahlreiche hochrangige Nazis zu seinen Patienten. Wie er
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