Geheimnisse einer Sommernacht
sich immer in der Gewalt gehabt, hatte stets seine Leidenschaft gezügelt. Niemals hatte sie befürchten müssen, dass er nicht sanft mit ihr umging …, bis jetzt. Wie ein Tier sah er sie an, befremdlich rot war sein Gesicht. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Er starrte auf ihren Mund.
„Mein Schlafzimmer …“, brachte sie heraus und rannte mit unsicheren Beinen zur Treppe. Auf den ersten Stufen hatte Simon sie schon eingefangen, nahm sie auf den Arm und lief mit ihr in fast beängstigender Leichtigkeit die restlichen Stufen hinauf.
Er trug sie zum Bett. Seine dunkle Gestalt machte sich irgendwie komisch aus zwischen den verschossenen Rüschen, den verschlissenen Spitzen und den gerahmten Stickproben aus ihrer Kindheit. Das Laken, auf das er sie legte, war sauber, roch aber leicht muffig, da es lange nicht benutzt worden war. Hastig riss er Annabelle die schon zerfetzten Kleider vom Leib, und nachdem seine eigenen neben den ihren auf dem Fußboden gelandet waren, glitt er auf sie. Unmissverständlich erwiderte Annabelle seine Begierde, schlang die Arme um ihn und öffnete bereitwillig die Beine. Machtvoll und entfesselt wild trieb er sich in sie hinein. Stöhnend nahm Annabelle ihn auf.
Schließlich fanden sie einen gemeinsamen Rhythmus, und er wurde ein wenig behutsamer und zügelte seine unbeherrschte Lust. Stattdessen schien es, als wolle er ihr mit allen Teilen seines Körpers Freude bereiten, mit der seidigen Hitze seines harten Schafts, dem dichten Haarflaum, der zart über ihre Brustspitzen rieb, dem Duft, den Küssen, die ihre Sinne betörten.
Überwältigt von so viel Nähe kamen Annabelle die Tränen. Mit leisen, tröstenden Worten drang Simon tiefer und tiefer in ihren Schoß. Sie seufzte und stöhnte an seinen Lippen, bettelte wortlos um Erlösung. Schließlich gab er nach, steigerte das Tempo und trieb sie zum alles überbietenden Höhepunkt. Ihre Vereinigung war animalisch, berauschend, einzigartig.
Als Annabelle Minuten später wieder zu sich kam, lag sie völlig erschöpft neben Simon. Sie schmiegte ihre Wange an seine Schulter und versuchte, ihre wirren Gedanken zu ordnen. Ein nie gekanntes Glücksgefühl, eine ganz ungewohnte Zufriedenheit durchströmte sie. Gerade hatte sie eine neue Seite des Liebesspiels erfahren, und jenseits dessen, was sie diesmal erlebt hatte, tauchten überraschend ungeahnte, noch nicht erreichte Wonnen auf. Noch war es nur ein Gefühl, ein Wunsch, eine Verlockung, die keinen Namen hatte. Annabelle schloss die Augen und kuschelte sich an seinen Körper. Das unbenennbare Versprechen schwebte wie ein guter Geist im Raum.
Allmählich wurde Annabelle immer neugieriger auf das Projekt, für das ihr Mann so viel Zeit aufwendete. Ihre Bitten, die Lokomotivfabrik zu besichtigen, lehnte Simon rundweg ab. Er fand immer wieder neue Ausreden und Gründe, sie vom Werksgelände fernzuhalten. „Nur ein ganz kurzer Besuch“, drängte sie ihn eines Abends. „Ich werde auch nichts anfassen. Verdammt noch mal, kannst du das denn nicht verstehen? Nach all den Diskussionen über die Lokomotivfabrik habe ich doch wohl auch das Recht, sie einmal zu sehen.“
„Zu gefährlich“, lehnte Simon wieder ab. „Eine Frau hat nichts zu suchen zwischen schweren Maschinen und Bottichen mit tausenden Tonnen flüssigem Eisen …“
„Seit Wochen höre ich immer nur, wie sicher es jetzt dort ist, und dass ich mir absolut keine Sorgen mehr machen muss, wenn du dorthin gehst. Und nun sagst du, dass es doch gefährlich ist?“
„Wenn es für mich sicher ist, bedeutet es noch lange nicht, dass es auch für dich sicher ist“, schimpfte Simon ärgerlich, da er seinen taktischen Fehler erkannt hatte.
„Und weshalb nicht?“
„Weil du eine Frau bist.“
Annabelle sah ihn wütend an. Mittlerweile kochte sie wie das gerade erwähnte flüssige Eisen. „Mir fehlen die Worte“, murmelte sie. „Du kannst froh sein, dass ich nichts zur Hand habe, was ich dir an den Kopf werfen kann.“
Simon ging im Zimmer auf und ab, seine Nervosität war ihm deutlich anzusehen. Schließlich blieb er vor ihr am Sofa stehen und beugte sich über sie. „Annabelle“, sagte er gereizt, „ein Besuch in der Gießerei ist wie ein Blick in den Eingang zur Hölle. Für uns ist der Arbeitsplatz sicher, aber es ist eine lärmende, schmutzige Arbeit und irgendwie auch immer etwas gefährlich. Und du …“ Er hielt inne, strich nachdenklich durch ihr Haar und
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