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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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soll.“
    „S…spaß?“, hatte Evie vorgeschlagen, und Annabelle hatte mit einem so entsetzten Augenaufschlag geantwortet, dass Evie laut lachen musste.
    Das Wetter war dem Plan der Bowman-Schwestern hold. Es wehte ein leichter Wind, und am blauen Himmel zeigte sich keine Wolke. Schwer beladen mit Körben wanderten sie über eilten Weg, der zwischen feuchten, mit Sonnentau und kleinen roten Veilchen übersäten Wiesen hindurchführte.
    „Haltet Ausschau nach einem Wunschbrunnen“, befahl Lillian. „Da müssen wir die gegenüberliegende Wiese überqueren und dann durch den Wald zu einer Anhöhe gehen. Dort soll es ein trockenes, einsames Plätzchen geben, hat mir einer der Diener erzählt.“
    „Natürlich muss es hoch oben auf dem Berg sein“, meinte Annabelle etwas gereizt. „Und wie soll der Brunnen aussehen, Lillian? Hübsch weiß getüncht mit Eimer und Flaschenzug?“
    „Nein, nur eine große, unbefestigte und matschige Vertiefung in der Erde.“
    „Da ist es ja“, rief Daisy und rannte zu dem braunen Wasserloch, neben dem eine Bank stand. „Kommt alle her.
    Jeder muss sich etwas wünschen. Ich habe Haarnadeln mitgebracht, die wir in den Brunnen werfen können.“
    „Woher hast du denn die Haarnadeln?“, wollte Lillian wissen.
    Daisy grinste übers ganze Gesicht. „Als Mutter gestern Nachmittag mit den stickenden Witwen zusammensaß, habe ich unseren Schlagball genäht.“ Aus dem Korb holte sie einen Lederball und zeigte ihn stolz in die Runde.
    „Dafür habe ich ein neues Paar Ziegenlederhandschuhe geopfert. Glaubt mir, es war keine einfache Arbeit.
    Sprachlos haben die alten Damen zugesehen, wie ich Wollschnipsel in die Hülle gestopft habe. Schließlich ist eine von ihnen ganz neugierig zu mir gekommen und hat mich mitleidig gefragt, was ich denn da um Gottes willen mache. Natürlich konnte ich ihr nicht erklären, dass es ein Schlagball sein sollte. Mama hat es sicherlich vermutet, aber sie hat vor Scham überhaupt kein Wort gesagt. Und so habe ich der Witwe erzählt, dass ich ein Nadelkissen mache.“
    Die vier kicherten. „Sicher hat sie gedacht, es wäre das scheußlichste Nadelkissen, das sie je gesehen hat“, meinte Lillian.
    „Ganz bestimmt. Ich glaube sogar, dass ich ihr richtig leid getan habe. Sie hat mir nämlich ein paar Haarnadeln geschenkt und so etwas wie ‚arme, tollpatschige amerikanische Mädchen, die kein handwerkliches Geschick haben‘, gemurmelt“, erzählte Daisy. Dabei schob sie die Nadeln mit dem Fingernagel aus dem Lederball und reichte sie ihren Freundinnen.
    Annabelle stellte ihren Korb auf den Boden, nahm eine Nadel zwischen Daumen und Zeigefinger und schloss die Augen. Immer, wenn sich die Gelegenheit bot, wiederholte sie ihren einzigen, aber allerdringendsten Wunsch: Ich möchte einen Aristokraten heiraten. Doch seltsam genug, genau in dem Moment, als sie die Nadel in den Brunnen warf, kam ihr ein anderer, ein neuer Wunsch.
    Ich möchte mich verlieben.
    Was für ein exzentrisches Verlangen! Erschrocken fragte sie sich, was sie dazu verleitet hatte, ihren kostbaren Wunsch an so einen dummen Gedanken zu verschwenden.
    Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass die anderen Mädchen ganz ernst in das Brunnenloch starrten. „Ich habe den falschen Wunsch geäußert“, sagte sie besorgt. „Habe ich noch einen zweiten?“
    „Nein!“, lehnte Lillian kategorisch ab. „Wenn du deine Nadel hinuntergeworfen hast, ist es vorbei.“
    „Aber es war nur ein Gedanke, gar kein richtiger Wunsch“, protestierte Annabelle.
    „S…ei st…still, Annabelle. Verärgere nicht den Brunnengeist“, bat Evie.
    „Wen?“
    Evie lächelte über Annabelles erstauntes Gesicht. „Der Geist, der in dem Brunnen wohnt. Der Geist, dem du deinen Wunsch anvertraust. Man darf ihn nicht verärgern. Sonst könnte er nämlich für die Erfüllung deines Wunsches einen schrecklichen Preis fordern. Oder er könnte dich zu sich in den Brunnen ziehen, damit du dort für immer als seine G…Gefährtin lebst.“
    Annabelle starrte in das braune Wasser und legte die Hände wie eine Tüte an den Mund: „Ich nehme meinen dummen Wunsch zurück. Du musst ihn nicht erfüllen“, rief sie dem unsichtbaren Geist zu.
    „Verhöhne ihn nicht, Annabelle! Und komm um Gottes willen vom Brunnenrand weg“, schrie Daisy aufgeregt.
    „Bist du etwa abergläubisch?“, fragte Annabelle lachend.
    Daisy sah sie wütend an. „Es gibt durchaus Gründe, abergläubisch zu sein. Schon manch einem ist etwas

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