Geheimnisse einer Sommernacht
zu helfen. Wie konnte sie das auch, nachdem sie gerade die günstigste Gelegenheit ihres Lebens so leichtfertig verspielt hatte? Was auch immer das Schicksal ihr nun bescheren sollte, sie verdiente es. Plötzlich wollte sie nur noch zurück auf ihr Zimmer. So schnell wie möglich. Sie beschleunigte ihre Schritte, und in ihrer kopflosen Hast wäre sie auf dem Weg hinter der Kletterrosenmauer fast mit einem Mann zusammengestoßen. „Oh, entschuldigen Sie“, murmelte sie und wollte schon weiterlaufen. Doch die Statur? Die braungebrannten Hände? Erschrocken taumelte sie ein paar Schritte zurück. Vor ihr stand Simon Hunt.
Sprachlos starrten sie sich an.
Gerade war sie vor Lord Kendall davongelaufen und nun Simon Hunt … Was für ein Unterschied! Dunkel wirkte Hunt im abnehmenden Licht, groß und mannhaft. Die Augen blitzten räuberisch, lässig stand er da, in der Haltung eines skrupellosen heidnischen Gebieters. Er war genau so arrogant wie eh und je, nicht zahmer, nicht höflicher, und dennoch war er zum Objekt eines so überwältigenden Verlangens geworden, dass Annabelle glaubte, den Verstand verloren zu haben. Die Luft um sie herum war wie aufgeladen, knisterte vor Spannung und Leidenschaft.
„Was ist los?“, fragte Hunt, der ihre Verwirrung bemerkte, barsch.
Es war Annabelle fast unmöglich, ihre Gefühle in wenigen verständlichen Sätzen zusammenzufassen, aber sie versuchte es. „Sie haben Stony Cross ohne ein Wort des Abschieds verlassen.“
Kalt und hart wie Glas war sein Blick. „Sie haben das Schachspiel fortgeräumt.“
„Ich …“ Sie mied seinen Blick. „Ich wollte nicht abgelenkt werden.“
„Es wird Sie keiner mehr ablenken. Sie wollen Kendall. Ich stehe Ihnen nicht im Wege.“
„Oh, danke! Sehr freundlich, nachdem Sie alles ruiniert haben.“ Ihr Ton war sarkastisch.
Er sah sie interessiert an. „Was meinen Sie denn damit?“
Annabelle zitterte leicht, ihr war kalt, obwohl es ein lauer Sommerabend war. „Die Stiefeletten, die ich bekommen habe, als ich krank war, und die ich jetzt trage, die sind von Ihnen, nicht wahr?“
„Ist das von Bedeutung?“
„Geben Sie es zu!“
„Ja, sie sind von mir“, gestand er ruppig. „Was tut denn das zur Sache?“
„Vor ein paar Minuten war ich noch mit Lord Kendall zusammen, alles verlief nach Plan, er wollte mich gerade …
Aber ich …, ich konnte mich nicht von ihm küssen lassen …, während ich diese verdammten Schuhe trage. Sicher hält er mich jetzt für verrückt, so wie ich ihn habe stehen lassen. Sie hatten recht …, er passt nicht zu mir. Es wäre eine schreckliche Ehe geworden.“ Jäh hielt sie inne und holte tief Luft, als sie das plötzliche Leuchten in Hunts Augen sah. Wachsam und lüstern sah er sie an.
„So, so“, sagte er leise. „Und nun, nachdem Sie Kendall den Laufpass gegeben haben, was haben Sie da vor?
Zurück zu Hodgeham?“
Die höhnische Frage ärgerte sie maßlos. „Und wenn, dann ginge Sie das gar nichts an“, fauchte sie, drehte sich auf dem Absatz um und ging.
In zwei, drei Schritten war er neben ihr, packte sie am Oberarm und schüttelte sie leicht. „Keine Spielchen mehr“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Sagen Sie, was Sie wollen. Sofort, bevor ich endgültig die Geduld verliere.“
Ganz benommen wurde sie in seiner Nähe. So frisch und männlich roch er, in seine Arme wollte sie sich schmiegen, ihn küssen, bis ihr die Sinne vergingen. Oh Gott, sie begehrte diesen abscheulichen, arroganten, verführerischen, teuflisch attraktiven Simon Hunt. Aber nein, ihr Stolz wollte nicht, schnürte ihr fast die Kehle zu.
„Ich kann nicht.“
Er sah sie an, seine Augen glänzten verführerisch. „Jeden Wunsch erfülle ich Ihnen, Annabelle … Nur bitten müssen Sie darum.“
„Was wollen Sie? Mich demütigen, nicht wahr?“
„Ich? Sie demütigen?“ Er sah sie hohnlächelnd an. „Nachdem Sie mich zwei Jahre lang geschnitten und beleidigt haben, immer wenn ich Sie um einen Tanz bat…“
„Oh, ja!“, sagte sie wütend und begann wieder am ganzen Körper zu zittern. „Ich gebe es zu …, ich will Sie. Sind Sie nun zufrieden? Ich will Sie.“
„In welcher Eigenschaft? Als Liebhaber oder als Ehemann?“
Annabelle sah ihn erschrocken an. „Wie bitte?“
Er legte seinen Arm um sie und drückte ihren bebenden Körper fest an sich. Schweigend beobachtete er, wie sie die Bedeutung seiner Frage zu begreifen suchte.
„Männer wie Sie heiratet man nicht“, brachte sie schließlich
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