Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
worden, denn auf Rachids Kriegsschiff gab es keine Gnade für Sklaven, die nicht mehr in der Lage waren zu rudern. Es war sein Glück gewesen, dass man ihn mit an Land nahm, als Rachids Männer vor der Küste Granadas anlegten, um den Händlern am Strand Obst und Wasser abzukaufen. Man hatte ihn an der Stelle liegen gelassen, wo er im Sand hingefallen war. Sollte er doch dort sterben, wenn er nicht mehr die Kraft hatte, für Rachid nützlich zu sein.
Es war wieder Glück gewesen, als später am Tag die Befehlshaber einer venezianischen Galeere genau an dieser Stelle der Küste ebenfalls ihre Wasservorräte auffüllen wollten. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie es geschehen war, aber man hatte ihn an Bord der persönlichen Galeere von Antonio Santorini gebracht, und dort war er durch jenen Mann wieder zurück ins Leben geholt worden. Antonio Santorini war ein Mensch, der selbst Pein und Folter erlitten hatte – als er der Inquisition in die Hände gefallen war.
Lorenzos Körper war zwar geschunden, sein Geist jedoch nicht gebrochen, als er in das Haus seines späteren Vaters gebracht wurde. Dessen Sanftheit und Freundlichkeit hatten ihm ein neues Dasein ermöglicht. Antonio hatte ihn aufgenommen, ihn zunächst als geehrten Gast und später als seinen Sohn behandelt. Schließlich hatte er ihn adoptiert und ihm damit eine Familie und seinen Namen gegeben. Er selbst kannte seinen nicht. Sein Gedächtnis versagte, als es um die Jahre ging, bevor er als Galeerensklave diente.
Das war das Geheimnis, das er so eifersüchtig hütete. Niemand außer seinem Vater hatte je von dem Verlust der Erinnerung an sein früheres Leben erfahren, und unter seinen Freunden wusste nur Michael, dass er auf Rachids Galeere gearbeitet hatte, obwohl manche wie Ali Khayr es wohl errieten. Es war etwas an seinem Ausdruck, eine Härte, die von all dem zeugte, was er ertragen hatte. Denn als er seine Kraft und Gesundheit wiedererlangt hatte, betätigte sich Lorenzo unermüdlich, um der beste Fechter zu werden, der beste Galeerenkommandant, der beste Weinkenner. Weichheit ließ er für sich nicht zu. Auf seinen Galeeren lebte er genauso wie seine Männer, arbeitete und trainierte ebenso hart wie sie. Er behandelte sie anständig, ohne jedoch nachgiebig zu sein. Lorenzo war für seine Kompromisslosigkeit bekannt und galt in seinen Geschäften als zäh, aber gerecht. Er hatte Antonio Santorini seine Güte vergolten, indem er das kleine Vermögen des Venezianers tausendfach vergrößerte.
„Gott zeigte mir seine Güte, als er dich zu mir sandte“, hatte Antonio auf seinem Sterbebett zu Lorenzo gesagt. „Ich weiß, dass du allen Grund hast, Rachid und seinesgleichen zu hassen, mein Sohn – genau wie ich Grund dazu habe, die Inquisition zu hassen. Ich wurde für etwas gefoltert, das sie Blasphemie nannten, obwohl es lediglich eine Diskussion unter gelehrten Männern war, welche die Bibel in manchen Aspekten hinterfragten. Sie wollen, dass wir alle mit blindem Gehorsam ihren Worten folgen, mein Sohn. Doch der Gott, an den ich glaube, ist ein sanfter Gott und vergibt uns unsere Sünden. Ich bete, dass du ihm eines Tages dein Herz öffnest, Lorenzo, denn erst dann kannst du glücklich werden.“
Es war seltsam, überlegte Lorenzo, während er sich bettfertig machte, zwei Männer, die er schätzte, wollten ihn bekehren, obwohl sie an verschiedene Götter glaubten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er die Armbänder wieder anlegte. Er trug sie, um sein Geheimnis zu wahren, denn ihm war klar, dass einige, wenn sie darüber Bescheid wüssten, es gegen ihn verwenden würden.
Als er auf dem Sofa lag, dachte er einen Augenblick lang an Kathryn. Er hatte sie bewusst aus seinen Gedanken verbannt, denn sie war zu gefährlich. Wenn er bei ihr war, vergaß er, auf der Hut zu sein. Er vergaß seinen Schwur, sein Leben der Zerstörung des Bösen zu widmen.
Wärme und Zuneigung für eine Frau zu empfinden, würde ihn schwächen, seine Entschlossenheit dahinschmelzen lassen, bis er weich wurde und seinen Hass vergaß, den Hass, der seinen Vorsatz, Rachid zu vernichten, am Leben hielt. Er konnte nicht lieben. Er hatte so etwas Ähnliches wie Liebe für Antonio empfunden – aber er vermochte diese Art von Zuneigung zu einem anderen Mann zu empfinden und doch ein Mann zu bleiben. Eine Frau zu lieben … Er konnte es sich nicht leisten, ihr gegenüber seine Reserviertheit aufzugeben, auch wenn sie in ihm manchmal den übermächtigen Wunsch
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