Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
dazu hervorrief. Wäre sie eine Schankmaid gewesen, so hätte er sie zu sich ins Bett genommen und danach zweifelsohne vergessen – aber eine Frau wie sie war fürs Heiraten bestimmt.
Er lächelte, als er sich daran erinnerte, wie ihre Augen temperamentvoll aufblitzten, als sie erregt war. Sie erweckte den Anschein, züchtig und folgsam zu sein, bis sie dazu gebracht wurde, ihr wahres Wesen zu verraten. Der Mann, den sie liebte – ihr Vetter, wie es schien –, wäre zu beneiden gewesen, hätten die Piraten ihn nicht an jenem Tag geraubt.
Es war eine traurige Geschichte, aber eine, die Lorenzo in all den Jahren oft genug gehört hatte. Er dachte an die arme Kreatur, die sie unbedingt sehen wollte. Wenn er wirklich der Mann war, den sie suchte, so würde sie ihm vermutlich ihr Leben opfern – und das wäre eine Schande.
Lorenzo starrte die Decke an, als er schlaflos dalag und Kathryn nun doch durch seine Gedanken spukte, obgleich er versucht hatte, sie zu verdrängen. All ihre Schönheit und all ihre Leidenschaft wären verschwendet, wenn sie es als ihre Pflicht betrachtete, sich um einen Mann zu kümmern, der ihr vielleicht nie ein wahrer Ehemann sein konnte.
Kathryn hatte sich dazu entschlossen, den ehemaligen Galeerensklaven im Hof von Lorenzos Haus zu begegnen. Sie dachte, dass es so vielleicht einfacher für ihn wäre als in den kostbaren Gemächern des Palastes, wo er vielleicht Furcht hatte, was mit ihm geschehen könnte. Hier im Garten konnte sie auf einer der Bänke sitzen und im warmen Sonnenschein warten, bis er zu ihr gebracht wurde.
„Es macht Euch doch nichts aus, wenn ich mich zu Euch setze?“
Als sie aufblickte und Lorenzo sah, runzelte sie die Stirn. „Ich hatte gehofft, dass man mir gestatten würde, ihn alleine zu sehen, Sir. Er könnte Angst vor Euch haben und sich weigern, mit mir zu sprechen.“
„Ich habe ihm keinerlei Schaden zugefügt und würde das auch nie tun.“
„Und doch könnte er Angst vor Euch haben“, wiederholte sie. „Ihr wirkt manchmal streng, Sir. Wenn ich ein Sklave wäre, so würde ich Euch fürchten.“
„Fürchtet Ihr mich, Kathryn?“
„Nein, denn ich habe keinen Grund dazu“, erwiderte sie lächelnd. „Ich empfinde Euch als … schwierig, denn Ihr scheint nicht immer der Gleiche zu sein. Manchmal …“ Sie brach ab, denn sie hörte Stimmen, und kurz danach traten drei Männer in den Hof. Einer von ihnen war offensichtlich der ehemalige Galeerensklave – er war ausgemergelt, und sein Haar war grau und fiel ihm unordentlich ins Gesicht. Seine Kleider hingen an seinem Körper, doch es waren keine Lumpen. Man hatte anscheinend auch versucht, ihn zu waschen, und sein Bart war ordentlich geschnitten.
Kathryn konnte kaum einen Aufschrei unterdrücken, als sie ihn sah. Sie war über seinen Anblick erschüttert. Mitgefühl ergriff sie, und in ihren Augen brannten Tränen. Dennoch stand sie auf und ging lächelnd auf ihn zu.
„Wollt Ihr nicht kommen und Euch zu mir setzen, Sir?“, lud sie ihn ein. „Ich würde gern Eure Geschichte hören, wenn Ihr sie mir erzählen wollt.“
Seine Augen waren tiefblau, hatten jedoch nicht ganz dieselbe Farbe wie die von Lorenzo – oder Dickon. Kathryn spürte heftige Enttäuschung. Ein Mann konnte sich in mancher Hinsicht ändern, aber sicherlich konnten seine Augen nicht die Farbe wechseln.
Der Mann schien einen Moment lang verunsichert zu sein, als wage er nicht, seinen Augen zu trauen. Dann aber schleppte er sich mühsam zu ihr hin und setzte sich auf die Bank, auf die sie gedeutet hatte. Er wirkte etwas verwirrt, wenn auch nicht wirklich ängstlich. Doch er war vorsichtig – und starrte sie an.
Kathryn nahm neben ihm Platz. Sie sah, dass Lorenzo eine Handbewegung machte, mit der er seinen Männern bedeutete, auf Abstand zu gehen. Er selbst stand nach ihrem Geschmack jedoch immer noch viel zu nah bei ihr.
„Es besteht kein Grund, Angst zu haben“, sagte sie dem ehemaligen Sklaven. „Niemand wird Euch wehtun. Das verspreche ich Euch, Sir. Ich möchte nur Eure Geschichte hören.“
„Ich habe keine Angst“, erwiderte er. Er sprach Englisch, aber es klang zögerlich, als fiele es ihm schwer, Worte zu finden. Das war nicht wirklich überraschend, denn er musste inzwischen an eine andere Sprache gewöhnt sein, an die seiner grausamen Herren.
„Wie ist Euer Name?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete er. „Man nennt mich Hund. Ich bin weniger wert als ein Hund.“
Kathryn schluckte heftig, denn ihr kamen
Weitere Kostenlose Bücher