Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
unterbrochen. Charles Mountfitchet und Lorenzo unterhielten sich miteinander. Sie sprachen wie immer Englisch, denn Lorenzos Verständnis dieser Sprache war sehr viel besser als die Italienischkenntnisse von Onkel Charles, Tante Mary oder von ihr. Lorenzo Santorini beherrschte natürlich mehrere Sprachen.
„Möglicherweise wäre es besser für Euch, Land in Italien zu kaufen“, riet Lorenzo gerade. „Mit der angedrohten Invasion der Türken …“
„Glaubt Ihr wirklich, dass sie versuchen werden, auf der Insel einzufallen?“
„Das kann ich nicht sagen, Sir. Ich wollte Euch lediglich davor warnen, dass es nicht auszuschließen ist.“
„Ich bezweifle, dass die Gefahr im Augenblick sehr groß ist“, wiegelte Charles ab, denn er hatte es sich in den Kopf gesetzt, Grund und Boden auf Zypern zu erwerben, einer Insel, die ideal für den Weinanbau zu sein schien. „Ich habe übrigens den Mann besucht, von dem Ihr mir berichtet habt – ein armer Kerl.“
„Hat er mit Euch gesprochen?“, fragte Lorenzo.
„Er wollte wissen, ob ich gekommen wäre, um ihn zu ersteigern“, antwortete Charles. Er klang erschüttert. „Als ich ihm erklärte, dass ich auf der Suche nach meinem Sohn sei, weinte er, wollte aber nicht weiter antworten. Ich konnte ihm nicht sagen, dass er keineswegs befürchten müsse, erneut als Sklave veräußert zu werden. Es stand ja nicht in meiner Macht, trotz allem, was Ihr mir sagtet, Sir.“
„Hat Euch irgendetwas an ihm an Euren Sohn erinnert?“
Die beiden Männer waren jetzt in den Hof hinausgetreten. Offensichtlich war ihnen nicht bewusst, dass Kathryn in ihrer Nähe war und hinter einem großen blühenden Busch stand.
„Es ist mir unmöglich, das zu sagen“, erwiderte Charles mit einem tiefen Seufzer. „Es könnte Richard sein, aber ich erkenne ihn nicht.“
Kathryn hielt es nicht mehr hinter dem Strauch aus und ging direkt auf die beiden Männer zu, die angesichts ihres Auftauchens überrascht waren. „Erlaubst du, dass ich ihn mir ansehe?“, fragte sie ihren Onkel. „Ich würde Dickon erkennen, wenn ich ihn sehe, dessen bin ich mir sicher.“
„Die Narbe, von der du uns erzählt hast …“ Charles schüttelte traurig den Kopf. „Es wäre dir keine Hilfe, danach zu suchen, Kathryn. Seine Handgelenke sind so voller Hornhaut von den Ketten, die er so lange getragen hat, dass jede Narbe, die dort zuvor vielleicht war, überdeckt wurde.“
„Oh, der arme Mann …“ Kathryn wollte weitersprechen, wurde aber unterbrochen.
„Es wäre nicht ziemlich, wenn Ihr ihn seht“, sagte Lorenzo. „Die Begegnung scheint Euren Onkel sehr zu schmerzen, und für eine Frau wäre es zu erschütternd.“
„Habt Ihr so eine schlechte Meinung von unserem Geschlecht, Sir?“ Kathryns Augen blitzten voller Stolz. Warum musste er sie nur immer für töricht halten? „Glaubt Ihr, ich habe noch nie zuvor Elend gesehen? Meine geliebte Mutter erkrankte einige Monate vor ihrem Tod an einem auszehrenden Leiden, und ich habe auf dem Marktplatz bei uns zu Hause Bettler beobachtet, deren Wunden voller Maden waren. Wenn ich diesen Mann sehen könnte, würde ich wissen, ob es Dickon ist.“
„Kathryn kannte meinen Sohn ja wie kaum ein anderer“, stimmte Charles zu und blickte sie unsicher an. „Sie ist eine ziemlich starke Frau, Signor Santorini. Mit Eurer Erlaubnis, ich glaube, es wäre mir wichtig, wenn sie ihm gegenübertritt. Was kann es für einen Schaden anrichten, wenn sie mit ihm spricht, solange jemand in der Nähe bleibt?“
In Lorenzos Augen flackerte kurz etwas auf, das möglicherweise Wut war, aber er erstickte diese Regung im Keim. „Nun gut, ich werde für morgen ein Treffen arrangieren. Aber ich warne Euch, Kathryn, er hat Dinge durchlitten, die Ihr Euch nicht einmal vorstellen könnt. Ich befürchte, dass Euer sanftes Herz Euer Urteilsvermögen beeinflussen könnte.“
„Ich werde wissen, ob er Dickon ist“, beharrte Kathryn trotzig, obwohl sie sich tief in ihrem Herzen nicht sicher war, ob sie sich wirklich im Klaren darüber sein würde. Denn in jenem kurzen Augenblick, in dem ihre Sinne ihr einen Streich gespielt hatten, war sie davon ausgegangen, Lorenzo selbst könnte ihre verlorene Liebe sein – obwohl das völlig unmöglich war. Es war vollkommen ausgeschlossen, dass Dickon und dieser kalte, arrogante Venezianer ein und derselbe Mann sein konnten. Er war offensichtlich in Wohlstand und Privilegien hineingeboren und hatte niemals so gelitten wie jener arme Sklave, dem
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