Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
Vielleicht würde es dieses Mal Neuigkeiten von Dickon geben …
Lorenzo Santorini stand auf den Stufen seines Palazzos. Das Gebäude war am Ufer des Canale Grande erbaut worden, der riesigen Wasserstraße, die sich durch die Lagune und unter den vielen Brücken Venedigs hindurchwand. Die Stadt hatte mit muslimischen Regenten östlich des Mittelmeers Handelsvereinbarungen getroffen, die ihr vor Hunderten von Jahren dazu verhalfen, eine der mächtigsten seefahrenden Nationen zu werden. Von hier aus war der venezianische Händler Marco Polo zu seinen Reisen aufgebrochen, die ihn bis an den Hof des Mongolen Kublai Khan geführt haben sollten, dessen Reich von China bis zum Irak reichte. Die bekannte Welt wurde dadurch um viele Regionen erweitert. Doch die Eroberungs- und Angriffskriege der Türken und die dadurch entstandenen Unruhen der letzten Jahre hatten die Vorherrschaft der Republik an der Adria nach und nach unterminiert.
Die venezianischen Galeeren waren aber immer noch den Kriegsschiffen anderer Länder weitaus überlegen. Aus diesem Grund hatten sie nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Die venezianischen Händler waren äußerst wohlhabend und einflussreich – und Lorenzo Santorini war einer der mächtigsten unter ihnen. Seine Galeeren waren berühmt für ihre Schnelligkeit, und die Männer, die sie ruderten, zeichneten sich durch ihre Kampfeskünste und ihre Disziplin aus. Unter seinen Ruderern, und das beförderte Santorinis Stärke, befanden sich keine Sklaven.
Er runzelte die Stirn, als er sah, wie die Galeere auf den kleinen Landungssteg zusteuerte, auf dem er wartete. Sie gehörte zu der Flotte, die er unterhielt, um seine Handelsschiffe zu beschützen, und sie kehrte verspätet von einer Fahrt nach Zypern zurück. Eigentlich sollte auf der Mittelmeerinsel nur Wein eingekauft und nach Venedig transportiert werden – eine reine Routineangelegenheit. Als sie sich jedoch näherte, sah er, dass der Segler an einem Kampf teilgenommen haben musste – was nur bedeuten konnte, dass sie entweder von einer türkischen Galeere oder von Korsaren angegriffen worden war.
„Willkommen zu Hause, Michael“, rief Lorenzo, als der Kapitän die Stufen zum Anlegesteg anvisierte. Der Händler streckte die Hand aus und half Michael, auf die Treppe zum Palazzo zu springen. „Ich vermutete schon, dass es Ärger gegeben hat – war es wieder Rachid?“
„Ist es nicht immer Rachid?“, entgegnete Michael dei Ignacio, wobei er eine Grimasse schnitt. „Er hasst uns und wird unsere Schiffe angreifen, wann immer er die Gelegenheit dazu bekommt. Glücklicherweise verließ ich Zypern zusammen mit drei anderen Galeeren und dem Schiff, das deinen Wein an Bord hat. Wir haben eine der Kriegsgaleeren verloren, aber das Handelsschiff ist in Sicherheit. Es ist nur eine Stunde hinter uns und wird von den restlichen Seglern begleitet. Wir haben einen schnelleren Kurs eingeschlagen, weil wir einige verwundete Männer an Bord haben.“
„Die Ärzte werden sich um sie kümmern“, sagte Lorenzo mit gerunzelter Stirn. „Und sie werden alle für ihre Qualen entschädigt werden, die sie erlitten haben.“ Auf Lorenzos Galeeren wurden die Männer für ihre Arbeit bezahlt und nicht an die Ruder gekettet wie die elenden Gefangenen auf jenen Kriegsbooten, die in den Gewässern am meisten gefürchtet wurden. Die Korsaren oder Berberpiraten, wie manche sie nannten, machten die Meere zwischen Tanger im Westen und Tripolis im Osten gefährlich. Sie waren Furcht einflößende Männer, die ihre eigenen Gesetze aufstellten und niemandem Gehorsam schuldeten, auch wenn manche von ihnen dem Osmanischen Reich Tribut zahlten.
„Ich werde mich darum kümmern“, versprach Michael. Lorenzos Untergebene konnten sich kaum einen besseren Dienstherrn vorstellen, doch den meisten war er ein Rätsel. Nur wenige wussten etwas über sein Leben. Michael hatte in Erfahrung gebracht, dass Lorenzo von jenem Mann als Sohn angenommen wurde, dessen Namen er trug. Aber über das, was davor passiert war, konnte er nichts sagen, genauso wenig wie auch jeder andere.
„Ich weiß, dass ich ihr Wohlergehen in deine Hände legen kann“, sagte Lorenzo. Seine Augen hatten die Farbe von Veilchen, sie waren dunkelblau mit einem violetten Schimmer und ebenso undurchdringlich wie seine Gedanken. Er trug sein dichtes, kräftiges Haar, das die Farbe von reifem Weizen hatte und an den Spitzen von der Sonne hell gebleicht war, länger als es die Mode der Zeit
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