Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
würde sie die günstige Gelegenheit zur Flucht nutzen.
Kathryn zog es vor, bei einem Ausbruchsversuch zu sterben, als an Rachid verkauft zu werden. Sie wusste, was sie im letzteren Fall von ihrem Schicksal zu erwarten hatte, und bei der Vorstellung drehte sich ihr Magen um. Sie würde lieber tot sein, statt als Sklavin in einem Harem zu leben.
Lorenzo stand am Bug seines Schiffes und blickte aufs Meer hinaus. Die Galeone hatte einen Tag Vorsprung, aber seine Männer ruderten lange Zeit mit größter Anstrengung. Sie würden das spanische Schiff trotz ihrer erhöhten Geschwindigkeit nicht einholen, aber zumindest würden sie nicht weit dahinter sein, wenn es den Hafen von Granada erreichte. Mit etwas Glück konnten sie dort anlegen, bevor sie erwartet wurden – und Don Pablo in einem unerwarteten Augenblick überraschen.
Lorenzo hatte Lord Mountfitchet seine wahren Pläne nicht anvertraut, denn sie bargen ein hohes Risiko für Kathryn. Es war möglich, dass sie beim Angriff gegen den Spanier verletzt wurde – doch welche Alternative hatte er? Wenn er sich selbst im Tausch gegen Kathryn ergab, so war das keine Garantie für ihre Freiheit. Seine einzige Chance, sie zurückzubekommen, bestand darin, die Hazienda zu stürmen und auf das Überraschungsmoment zu hoffen. Jeder andere Weg war undenkbar … Und sollte sie bei dem Befreiungsversuch umkommen, so war das jedenfalls besser, als an Rachid veräußert zu werden.
Don Pablo würde sich in den nächsten Tagen in Sicherheit wiegen, aber damit unterschätzte er seinen Feind. Lorenzos Intuition half ihm, den Grund für Kathryns Entführung zu erraten. Und seitdem hatte er nicht mehr aufgehört, die verschiedensten Strategien zu entwickeln.
Lorenzo signalisierte seinen Männern, die Geschwindigkeit zu drosseln. Das hohe Tempo konnten sie nur eine gewisse Zeit durchhalten. Aber sie alle würden sich immer wieder an den Rudern abwechseln, und Lorenzo wollte sich nicht davon ausnehmen. Er verlangte von den anderen nichts, was er nicht selbst zu tun bereit war.
Diese Leute waren seine treuesten, stärksten und besten. Jeder Mann auf seiner Galeere war bereit, für ihn zu sterben, wenn es notwendig war.
Kathryn bemerkte, dass das Haupttor stets verschlossen war und nur geöffnet wurde, wenn bestimmte Männer die Hazienda verließen oder zu Besuch kamen. Doch es gab ein kleineres Tor, das die Dienstboten benutzten. Sie hatte einen alten Mann mit einem Esel beobachtet, der frühmorgens Obst und Gemüse brachte. Er hatte das Tor offen stehen lassen, während er seine Waren ins Haus trug. Vom Fenster ihrer Schlafkammer aus hatte sie aufmerksam verfolgt, ob es wieder abgeschlossen wurde, nachdem der Händler gegangen war. Aber einige Minuten lang war niemand gekommen.
Wenn der alte Mann jeden Tag zur selben Zeit erschien, konnte sie möglicherweise durch das Seitentor hinausschlüpfen, während er sich in der Küche befand.
Kathryn wusste aber nicht, wie sie weiter vorzugehen hatte, sollte es ihr gelingen, aus ihrem Gefängnis zu entkommen. Sie war alleine, sie befand sich in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht beherrschte, und sie war völlig mittellos. Möglicherweise würde sie ihre Situation durch eine Flucht nur verschlechtern, denn bisher hatte Don Pablo Wort gehalten und sie als seinen Gast behandelt. Wenn sie davonlaufen konnte, aber für eine Frau mit lockeren Moralvorstellungen gehalten wurde, was gut möglich war, und wenn sie in ihrer Not einen Fremden um Hilfe bat, war ihre Tugend womöglich ebenso gefährdet wie ihr Leben.
Doch was war die Alternative? Wenn sie nichts unternahm, würde sie möglicherweise gegen Don Pablos Tochter eingetauscht werden. Kathryn war der Meinung, dass nahezu alles besser war, als Rachids Sklavin zu werden. Lorenzo hatte ihr die Einzelheiten über die Grausamkeit des Korsaren erspart, aber sie war nicht so unerfahren, dass sie nicht erraten konnte, welches Schicksal sie erwartete, wenn sie ihm in die Hände fiel.
Selbst wenn Lorenzo verrückt genug war, ihr zu folgen und sein Leben im Tausch gegen das ihre anzubieten, war es doch unwahrscheinlich, dass sie zu ihrer Familie zurückgebracht wurde. Sie würde an den Höchstbietenden verkauft werden!
Lorenzo verfluchte die Verzögerung, denn es waren schon mehr als zwei Tage vergangen, seit sie spanischen Boden betreten hatten. Aber es brauchte diese Zeit, um seinen Freund Ali Khayr zu kontaktieren und Pferde für eine kleine Gruppe von Männern zu kaufen, die er
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