Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
tragen, dass das Mädchen in der Nähe des Tores ist – und zwar ohne die Wachen. Wenn Allah will, wird das Mädchen morgen zur vereinbarten Zeit bei dir sein.“
„Ich stehe tief in deiner Schuld, wenn du das arrangieren kannst.“
„Ich bezahle damit die Schuld, die ich bei dir habe“, entgegnete Ali Khayr. „Hättest du an dem Tag, wo mein Sohn auf dem Marktplatz von einem tollwütigen Hund angegriffen wurde, nicht so schnell reagiert, wäre er gestorben. Du hast dein Leben aufs Spiel gesetzt, denn wer von einem solchen Tier gebissen wird, stirbt selbst an der Tollwut. Ohne meinen Sohn hätte ich keinen Grund mehr gehabt weiterzuleben. Deswegen gehört mein Leben dir.“
„Ich handelte intuitiv“, erklärte Lorenzo. „Und du hast die Schuld bereits beglichen.“
„Mit Gold allein kann eine solche Tat nicht bezahlt werden. Aber wenn ich dir diese Frau zurückgebe, wird nichts mehr zwischen uns sein. Dann können wir uns in Zukunft als Freunde begegnen.“
„Wir sind auch jetzt Freunde“, sagte Lorenzo. „Und dennoch werde ich für immer in deiner Schuld stehen.“
Ali lächelte und öffnete die Hände. „Allah wird es fügen, mein Freund. Nur wenn es ihm gefällt, wird unser Plan Früchte tragen.“
Kathryn konnte nicht schlafen. Sie war in der Morgendämmerung aufgestanden und hatte sich gewaschen und die Kleider angezogen, die man ihr zur Verfügung gestellt hatte. Sie waren nach der spanischen Mode gefertigt und schwerer als die Gewänder, die sie gewohnt war. Sie stand am Fenster und blickte in den Garten hinaus, in dem üppige Grünpflanzen und exotische Blumen in Hülle und Fülle wuchsen. Bald würde der alte Mann mit seinem Obst und Gemüse kommen, und sie beabsichtigte, hinunter in den Garten zu gehen und zu versuchen, die Gelegenheit zur Flucht zu nutzen.
„Señorita!“
Kathryn blickte sich bei dem Klang der Frauenstimme um. Sie hatte die alte Frau bereits in den Kräutern gesehen, weshalb sie davon ausgegangen war, dass sie in der Küche arbeitete. Ihre Haut hatte einen dunklen Olivton, vielleicht besaß sie maurische Vorfahren – das jedenfalls vermutete Kathryn. Die Mauren hatten einst die Provinz Granada regiert, bis sie vom spanischen König besiegt und davongejagt wurden. Doch obwohl viele Muslime andernorts ein neues Leben begannen, waren auch manche geblieben.
„Was ist?“, fragte Kathryn, doch die Frau legte einen Finger auf den Mund und anschließend eine Hand auf Kathryns Arm. Anscheinend wollte sie, dass das Mädchen mit ihr kam. Sie sagte etwas, doch Kathryn verstand sie nicht.
Die Gefangene zögerte, aber die Frau zog eindringlich an ihrem Arm und redete schnell, wobei sie dieselbe Anweisung ständig wiederholte. Es hatte keinen Sinn sich zu wehren, denn wenn sie das tat, würde Don Pablo seine Männer schicken, um sie zu holen. Sie nickte, um zu zeigen, dass sie mitkommen würde. Aber als sie sich bemühte, mit der Frau zu sprechen, legte diese wieder den Finger auf die Lippen und lächelte.
Plötzlich war Kathryns Aufmerksamkeit geweckt. Irgendetwas ging hier vor sich. Sie hatte das überaus merkwürdige Gefühl, dass diese Frau versuchte, ihr zu helfen – und dass Don Pablo nichts davon wusste. Als die Alte sie zu der Tür führte, durch die man in den hinteren Teil des Gartens gelangte, ahnte Kathryn, dass es um das Seitentor ging. Die Frau lächelte erneut und gab Kathryn einen kleinen Schubs, damit sie sich in Richtung des Tores begab. Dazu wedelte sie mit den Händen, als scheuche sie eine Gans.
Kathryn lächelte ebenfalls, aber als sie etwas sagen wollte, schüttelte die Frau den Kopf und verschwand im Haus. Nervös und aufgeregt ging Kathryn in die Richtung, die ihr die Alte angedeutet hatte. Das Tor öffnete sich, und ein alter Mann kam mit seinem Esel herein. Sie zögerte, aber er gab ihr eindringlich mit seinen Händen zu verstehen, dass sie nur weitergehen solle. Und so rannte sie regelrecht die letzten Schritte, bis sie ihn erreicht hatte.
„Lauft schnell“, sagte er und zog sie durch das Tor. „Geht den Pfad entlang, den ihr dort seht, und folgt ihm nach rechts. Der Weg ist steil und beschwerlich, aber Ihr werdet finden, wonach Ihr sucht.“
Kathryns Herz raste. Der Mann hatte Englisch mit ihr gesprochen, obwohl er seinem Aussehen nach ein Maure war. Sie flüsterte ein Dankeschön und hörte noch, wie das Tor hinter ihm ins Schloss fiel. Jetzt begann sie, den steilen Pfad hinunterzulaufen, den er ihr gezeigt hatte. Es war nicht die Straße,
Weitere Kostenlose Bücher