Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
einzureden, dass er sie nicht wollte. Aber wie er sie jetzt ansah, ließ sie denken, dass sie sich vielleicht geirrt hatte. Vielleicht hatte er sie in der Hochzeitsnacht alleine gelassen, weil tatsächlich die Zeit nicht ausreichte. Möglicherweise war es genauso, wie er es ihr gesagt hatte. Und jetzt war er zu Hause – und sie hatten genügend Zeit, bevor er wieder in See stechen musste …
„Erzähle mir, wie du gern deine Tage verbringst, Kathryn“, bat Lorenzo sie, als sie sich hinsetzten, um das Mahl zu genießen.
„Oh, ich lustwandle im Garten. Ich gehe mit Freundinnen einkaufen, oder ich besuche sie in ihren Salons. Manchmal kommen sie zu mir – aber es gibt etwas, was ich hier vermisse, Lorenzo.“
„Und was ist das, Madonna?“
„Bücher“, antwortete sie. „Mein Vater besitzt eine Bibliothek und erlaubte mir stets, seine Bücher zu lesen.“
„Warum hast du dir nicht einfach welche gekauft? Ich habe genug Geld für all deine Bedürfnisse dagelassen.“
„Ich wollte nicht zu viel ausgeben“, erklärte Kathryn. „Und ich wusste nicht, ob du mit solchen Erwerbungen einverstanden bist.“
Lorenzo lächelte. „Ich muss dir meine Bibliothek zeigen, wenn wir wieder in Venedig sind, Kathryn.“
„Wann werden wir dorthin zurückkehren?“
„Das wird noch einige Monate dauern“, erwiderte er. „Ich habe Vorkehrungen getroffen, hier zu überwintern – und du hast in Rom Freundinnen, Kathryn. Du müsstest in Venedig noch einmal von vorne anfangen. Ich dachte, es wäre besser, so lange zu warten, bis wir gemeinsam zurückkehren können.“
„Ja, das ist sicher die richtige Entscheidung“, stimmte sie zu. „Ich habe mich nicht gelangweilt, Lorenzo – aber du hast mich gefragt, was ich gern tue.“
„Wir werden Bücher für dich kaufen“, versprach er. „Aber jetzt möchte ich etwas über dein Leben in England hören, Kathryn. Erzähle mir, was du dort getan hast.“
Sie erzählte ihm von ihrem Haus über dem Meer und den langen Spaziergängen, die sie machte, wenn das Wetter es zuließ. Und dann kam sie ohne bewusste Absicht auf den Tag zu sprechen, an dem Dickon von den Korsaren geraubt worden war.
„Du sagtest, es war deine Idee, in die Bucht hinunterzugehen, um nach dem Schiff zu sehen?“ Er blickte sie nachdenklich an. „Und du hast dich deswegen seither stets schuldig gefühlt?“
„Hätte ich es nicht vorgeschlagen, so wäre er nicht gegangen.“
„Kannst du dir dessen so sicher sein? Die meisten Männer wären in einer solchen Situation neugierig, und du warst viel jünger als er.“
„Aber Dickon versuchte immer, es mir recht zu machen. Er war so freundlich, so großzügig – er lachte viel und neckte mich …“ Ihre Augen verdunkelten sich, als sie sich an den Schmerz des Verlustes erinnerte.
„Liebst du ihn deswegen noch?“
„Ich … bin mir nicht sicher, ob ich das tue“, gab sie zu. Sie wagte nicht, ihn anzusehen. „Wir waren nur Kinder. Woher kann ich wissen, ob wir uns als Erwachsene noch geliebt hätten? Außerdem …“ Ihre Stimme wurde leiser. „Ich bin jetzt deine Frau, Lorenzo. Und … und ich wäre dir gern eine gute Ehefrau.“
„Was meinst du damit?“
Kathryn blickte ihn an. Ihr stockte der Atem. Wie konnte sie ihm antworten, wie ihm sagen, was sie meinte, ohne ihre Gefühle zu verraten? Wenn er ihr nur irgendein Zeichen gegeben hätte, ihr gezeigt hätte, dass er sie wenigstens begehrte, sie im Bett bei sich haben wollte.
Die Ankunft einer Dienerin bewahrte sie davor, ihm eine Erwiderung geben zu müssen.
„Signore“, sagte die Frau, „Kapitän dei Ignacio ist hier, um mit Euch zu sprechen. Er hat jemanden mitgebracht – eine Frau.“
„Michael ist hier?“ Lorenzo sprang auf die Beine. „Entschuldige mich, Kathryn. Ich muss mich darum kümmern.“
Sie starrte ihm nach, als er aus dem Zimmer ging. Sie war so dicht davor gewesen, ihm ihre Liebe zu gestehen – aber die Unterbrechung hatte sie gerettet. Sie fragte sich, warum es so wichtig war, dass Lorenzo sofort mit seinem Kapitän sprach. Und wer war diese Frau, die Michael mitgebracht hatte?
Lorenzo ließ seinen Blick über die Frau wandern, die neben Michael stand. Sie war in seinen Umhang gewickelt, und als er die Pantoffeln an ihren Füßen und ein Stückchen von einer Haremshose entdeckte, wusste er auch, warum.
„Donna Maria“, sagte er. Sein Tonfall war freundlich, denn er wusste, dass sie nach allem, was mit ihr geschehen war, seit man sie vom Schiff ihres Vaters
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