Geheimnisvoll wie der Orient
versteht nicht, was auf dem Spiel steht.“
Mit blitzenden Augen fuhr Molly ihren Halbbruder an: „Wie kannst du es wagen, dich für mich zu entschuldigen!“ Sie versuchte, die Fassung zurückzugewinnen. „Es tut mir leid. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“ Fest blickte sie den Scheich an.
Der sah das aufrichtige Bedauern in ihren Augen und nickte beschwichtigend. „Sie sind eine sehr temperamentvolle junge Dame.“
Sie sah sich zu einer weiteren Entschuldigung genötigt. „Ich respektiere Ihre Sitten und Bräuche“, beeilte sie sich zu sagen. „Wirklich. Aber es sind nun mal nicht die meinen.“
Als der Scheich erneut nickte, fühlte sie sich ermutigt fortzufahren. „Ich bin überhaupt nur hier“, sie ließ ihren Blick kurz durch das orientalisch eingerichtete Zelt gleiten, „weil meine Mutter den König von Zarhat geheiratet hat. Als sie es in diesem Land nicht mehr aushielt, lief sie davon und ließ sich scheiden. Was meinen familiären Hintergrund angeht, bin ich also wohl kaum für die Ehe mit einem Prinzen geeignet.“
„Sie dürfen nicht vergessen, junge Frau, dass sie als Gast Ihres Bruders, des künftigen Königs, unter seinem Schutz stehen.“
„Ich brauche keinen Beschützer.“ Verzweifelt versuchte sie, ihren Standpunkt klarzumachen, wusste aber, wie gering ihre Chancen standen.
„Es geht nicht darum, was Sie brauchen.“
„Ich gehöre noch nicht einmal zur königlichen Familie. Ich bin eine ganz gewöhnliche englische Lehrerin, so wie tausend andere. Ich esse nicht von vergoldeten Tellern, sondern wärme mir meine Mahlzeiten in der Mikrowelle auf und fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit …“
Der Scheich nickte verständnisvoll, blieb jedoch unbeugsam. „Mein Enkel hat Sie entführt und nicht nur das! Die Ehre gebietet …“
Molly hielt sich die Ohren zu, schloss die Augen und blieb bewegungslos sitzen, bis jemand sie an den Handgelenken fasste und diese sanft nach unten zog. Noch bevor sie die Augen öffnete, wusste sie, dass es Tair war. „Bitte lass mich!“ In seiner Gegenwart ließ die Vernunft sie im Stich. Sie sagte dann Dinge, über die sie selbst erschrak und die ihr nichts als Schwierigkeiten einbrachten. Womöglich würde sie noch einwilligen, ihn zu heiraten, so wie sie sich ihm auch in der vergangenen Nacht bereitwillig hingegeben hatte.
Unter allen Umständen musste sie jetzt vernünftig bleiben. Sie durfte nicht glauben, sie könne Tair dazu bringen, sie zu lieben.
„Bitte beruhige dich, und hör einfach zu.“
Das Ansinnen ließ sie aufseufzen. „Ich habe lange genug zugehört. Ihr seid ja von allen guten Geistern verlassen. Sieh dich doch an!“, sagte sie zu Tair. Ich könnte ihn für immer und ewig ansehen und würde nie genug von ihm bekommen, dachte sie.
Seine zur Schau getragene Gelassenheit überzeugte niemanden, am wenigsten Molly. Die Anspannung der letzten Stunde spiegelte sich deutlich in seinem Gesicht wider.
„Wer will schon einen Bräutigam, der aussieht, als befände er sich auf einer Beerdigung? Ich bin keine Strafe für einen Mann. Ich will seine große Liebe sein.“ In ihren Augen schimmerten Tränen, und sie fügte bitter hinzu: „Ich kann einfach nicht glauben, dass du dich diesem Zwang beugst und mich heiraten willst, obwohl ich noch nicht einmal schwanger bin.“
„Nichts gegen Romantik, Molly. Allerdings ist sie keine Garantie für dauerhafte Zufriedenheit“, wandte Tariq ein. „Ich kenne viele glückliche Ehen, die von der Familie arrangiert wurden.“
„Ja, so wie die zwischen Bea und dir, nehme ich an. Außerdem möchte ich jetzt endlich einmal etwas klarstellen: Tair hat mich nicht entführt.“
Tariqs Miene verfinsterte sich. „Was soll das heißen?“
„Er hat es nur behauptet, um mich nicht bloßzustellen.“
Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass Tair sie anstarrte.
„Tatsächlich habe ich ihn darum gebeten, mich mitzunehmen.“
„Das stimmt nicht.“
Sie warf Tair einen frustrierten Blick zu. Merkte er denn nicht, dass sie ihm aus der Patsche helfen wollte? Beschwörend blickte sie ihn an.
Entweder verstand Tair nicht, was sie ihm mitteilen wollte, oder er wollte sich nicht helfen lassen.
„Ich habe sie entführt.“
Der Scheich hatte inzwischen die Geduld verloren und wedelte nur kurz mit seiner reich beringten Hand. „Es spielt keine Rolle, wer wen entführt hat. Tatsache ist, dass Molly unberührt war.“
„Das war ich nicht.“ Sie spürte, wiealle sie anstarrten, und hob eigensinnig das
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