Geheimnisvoll wie der Orient
Kinn. Lieber lüge ich, als dass ich mich unterkriegen lasse.
Tair schüttelte den Kopf. „Natürlich war sie das.“
Die Männer unterhielten sich, als ginge es um etwas so Sachliches wie den Ölpreis.
Molly konnte es nicht fassen, wie unsensibel diese Kerle mit ihr umsprangen. Die Röte war ihr vor Zorn in die Wangen gestiegen. „Wie auch immer, es spielt keine Rolle“, sagte sie, nachdem sie ihre Haltung zurückgewonnen hatte.
„Ich kann euch anscheinend nicht davon abhalten, diese Hochzeit zu planen. Es dürfte aber schwierig werden, die Veranstaltung ohne die Braut abzuhalten. Und ich heirate nicht.“ Mit Blick auf Tair fügte sie hinzu: „Und am wenigsten dich.“
„Es führt kein Weg daran vorbei.“
„Du glaubst immer noch, dass die Dinge automatisch so laufen, wie du es dir vorstellst. Vielleicht war das auch in der Vergangenheit so, aber nicht mit mir. Wenn ich einmal heirate, dann nur einen Mann, für den ich das Wichtigste auf der Welt bin. Das ist vielleicht reines Wunschdenken, ich weiß. Aber ich werde auf ihn warten, auch wenn er mir womöglich nie begegnet. Und bis es so weit ist, vertreibe ich mir die Zeit mit anderen attraktiven Männern.“
Tair vernahm nur noch ein Rauschen in den Ohren. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Der Gedanke, dass Molly einen anderen Mann auch nur küsste, geschweige denn Sex mit ihm hatte, ließ ihn fast die Beherrschung verlieren.
Herausfordernd fuhr sie fort: „Ich werde niemanden nur um der Ehre willen heiraten. Es tut mir leid, wenn du anderer Meinung bist, aber du findest dich besser damit ab.“
Draußen brach die Dunkelheit herein. Molly konnte es kaum fassen, wie viel in den letzten vierundzwanzig Stunden geschehen war. Aufgewühlt entfernte sie sich mit schnellen Schritten vom Zelt. Sie musste sich die Beine vertreten, um wieder zur Besinnung zu kommen.
Am Rand der Oase sah sie ein gutes Dutzend Kamele, die um einen Berg von aufgeworfenem Futter knieten. Sie streckten die Hälse vor, zogen das Futter ins Maul, warfen den Kopf zurück und kauten ruhig. Molly blieb in einiger Entfernung von ihnen stehen. Die gleichförmigen Bewegungen ließen ihre Nerven langsam zur Ruhe kommen.
Inzwischen wurden überall auf dem Lagerplatz Feuer entzündet, und der Rauch drang durch die kühle Abendluft zu ihr herüber. Angezogen vom warmen Schein, ging sie zu einer der Feuerstellen.
Still stand sie da und blickte in die Flammen.
Eine Frau, die gesehen hatte, wie sie sich näherte, erhob sich aus dem Kreis ihrer Familie und bot Molly lächelnd etwas von ihrem Essen an, das nach köstlichen Gewürzen duftete.
Molly erwiderte freundlich ihr Lächeln, schüttelte jedoch ablehnend den Kopf.
Daraufhin ließen die Beduinen sie gewähren, so als spürten sie, dass sie allein sein wollte. Die unaufdringliche Gastfreundschaft der Wüstenbewohner würde ihr in unvergesslicher Erinnerung bleiben.
Dies und anderes.
„Was für ein dramatischer Abgang.“
Sie verharrte unbeweglich, spürte, dass er dicht hinter ihr stand. Doch sie widerstand der Versuchung, sich anzulehnen und Tairs Kraft und Wärme zu fühlen. Unmöglich, sich an einen Mann anzuschmiegen, dem man soeben mitgeteilt hatte, dass man lieber barfuß durch die Wüste laufen würde, als ihn zu heiraten. Sie verlöre damit einiges an Glaubwürdigkeit.
„Die Wüste hat etwas Magisches.“
„Ich dachte, du fürchtest dich vor ihr.“
„Sie gefällt mir immer besser. Meine Mutter hat sie gehasst. Sie hat sich vor der endlosen Weite geängstigt.“
„Und du?“
Ich ängstige mich vor dir.
„Heirate mich, Molly.“
Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Warum?“
„Weil es noch immer so altmodische Tugenden wie Anstand und Pflichtbewusstsein gibt, auch wenn sie in der heutigen Gesellschaft nicht mehr besonders hochgehalten werden.“
Ebenso wie Liebe und Romantik.
„Die Aussicht ist natürlich verlockend …“
„Es gibt genug Frauen, die diese Meinung teilen. Ich kenne einige Frauen, die keine Sekunde zögern würden, meinen Antrag anzunehmen.“
„Dann heirate eine von ihnen.“
„Warum bist du so unvernünftig?“
Unvermittelt wandte sie sichzuihm um und sah ihn beschwörend an. „Können wir nicht so weitermachen, wie wir begonnen haben? Ich könnte deine Geliebte sein. Das war es doch, was du ursprünglich im Sinn hattest, oder?“
Seine Miene spiegelte eine Mischung aus Wut und Verzweiflung wider. Unter anderen Umständen hätte Molly sich vermutlich darüber
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