Geheimnisvolle Beruehrung
einen weiteren bewundernden Blick hervor, den er nicht zu bemerken schien, obwohl Sahara klar war, dass den grüngoldenen Jaguaraugen nichts entging. So wie Kaleb jeder Frau, die sich ihm uneingeladen näherte, den Hals bräche, würde Vaughn mit Krallen und Zähnen reagieren. Körperprivilegien sollte man bei Männern dieses Kalibers lieber nicht auf die leichte Schulter nehmen.
»Für NightStar war es einfacher zu suggerieren, es wäre jemand von ihnen gewesen, als noch mehr Aufmerksamkeit auf Faith zu lenken«, sagte Vaughn und drückte ihr den Schirm ihrer Baseballkappe ein wenig tiefer ins Gesicht.
Die Kappe hatte er ihr gegeben, als Kaleb mit ihr auf den verlassenen Flur im Hauptgebäude teleportiert war. Er war der Meinung, die Kopfbedeckung mit dem Logo der Mannschaft, die den Meistertitel errungen hatte, würde weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen, selbst wenn sie sich stundenlang im Bahnhof aufhielten. Da sie bereits eine ganze Reihe von Leuten mit den gleichen Kappen gesehen hatte, war das Argument nicht zu widerlegen.
»Wie geht es Leon?«
»Gut. Richtig gut.« Sahara sprach jeden Tag mit ihrem Vater und hatte vor, ihn in den nächsten Tagen zu besuchen, ganz egal, was passierte. Doch zuerst musste sie alles tun, was in ihrer Macht stand, um einen weiteren Gewaltausbruch zu verhindern. Sie holte tief Luft. »Okay, ich bin bereit.«
Zum ersten Mal versuchte sie etwas in dieser Größenordnung, und nach allem, was sie von Telepathen gehört hatte, die ihre Schilde in ähnlichen Situationen gesenkt hatten, musste sie sich auf eine wahre Lärmexplosion gefasst machen, wenn tausend fremde Gedanken auf sie einströmten. Neunundneunzig Prozent der Vertreter aller Gattungen hatten »öffentliche« Gedanken – ein Durcheinander, das nur wenig geschützt war. Dieser Teil war schon schlimm genug, doch Sahara wollte noch eine Ebene tiefer gehen.
Ich lege los,
telepathierte sie ihrem TK -Medialen.
Ich bin bei dir.
Sie hielt sich an dem Versprechen fest und öffnete ihre Sinne nur ein wenig, um sie bei einer Überlastung sofort zu schließen. Es sei denn –
Oh!
Es war gar nicht so wie bei den Telepathen. Ihre Fähigkeit war einzigartig, ihr Geist filterte die Gedanken anderer stromlinienförmig. Die Vorbeigehenden waren klar voneinander zu unterscheiden, für jede Person gab es einen eigenen Strang … silbernes Schimmern für die Medialen, leuchtendes Blau für Menschen und lebendiges Grün für Gestaltwandler.
Ein buntes Meer, so schön wie das Medialnet.
Überhaupt nicht angestrengt streckte Sahara ihre Sinne weiter aus und biss sich innen auf die Wange, so aufgeregt war sie. Sie erreichte nicht nur Personen in einer Entfernung von zehn Zentimetern, sondern weit mehr. Mit fünfzig Prozent ihrer Kraft konnte sie die Gedanken aller Leute lesen, die sich im Bahnhof befanden … auch die des Gestaltwandlers neben ihr, obwohl es hieß, dass Gestaltwandlerschilde undurchdringlich seien.
Sie musste lächeln – Vaughn summte Unsinn, um seine Gedanken zu verschleiern. Das funktionierte und sagte ihr gleichzeitig, dass Faith einen Verdacht bezüglich ihrer Fähigkeiten hegte. Was sie aber nicht beunruhigte. Ihre Cousine würde sie niemals verraten. Sie blockte Vaughns Gedanken bewusst ab und durchforstete so schnell den Gedankenstrom um sich herum, dass er in ihrem Kopf zu einem einzigen silbern-bläulichen Teppich wurde, mit leuchtend grünen Punkten.
Kaleb teleportierte nicht wieder ins Hauptquartier, nachdem er Sahara und Vaughn im Bahnhof abgesetzt hatte, sondern nahm aus Höflichkeit den Weg durch die Eingangstür, was ihm ein anerkennendes Nicken des Alphatiers einbrachte. Der Mann mit den grünen Augen war etwa ebenso groß wie Kaleb und hatte den schlanken, muskulösen Körperbau einer Raubkatze.
»Sie haben Anthony ausgestochen, Krychek.«
Der Kopf des NightStar-Clans trat zwei Minuten später durch die Tür, und Lucas führte sie in den großen Tagungsraum, an dessen ovalem Tisch bereits sieben Personen Platz genommen hatten. Kaleb fing Judds Blick auf, der neben dem Leitwolf Hawke saß. An dessen anderer Seite saß ein Mann, den Kaleb als Nathan Ryder identifizierte, den dienstältesten Wächter der Leoparden.
Gegenüber saß Nikita mit Max Shannon, ihrem Sicherheitschef. Kalebs Informanten zufolge war Max’ Frau Sophia, eine J-Mediale mit vielen Kontakten, inzwischen auch zu einer engen Beraterin Nikitas geworden. Nikitas Vertrauen in das Paar war vielen in ihrem Unternehmen unverständlich,
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