Geheimnisvolle Beruehrung
Schwäche war Sahara –, und obwohl er wusste, dass eine solche Erklärung vielleicht genau der falsche Schachzug bei einem noch nicht gefestigten Vertrauen war, konnte er doch ihre stete Wachsamkeit und Unsicherheit nicht länger ertragen.
Unendliche Tiefe lag in Saharas Blick, der ihm die Maske vom Gesicht zu reißen schien, hinter der die hässliche Wahrheit zum Vorschein kam. »Ich will nach Hause«, sagte sie. »Nach Tahoe. Zu meinem Vater.«
Sofort war die Anspannung in ihm wieder da. »Ich habe dir doch gesagt, dass du mir gehörst.« Außer ihr gab es sonst niemanden in seinem Leben, und er würde sie nicht hergeben.
Es sei denn, sie tat das Einzige, was sie für immer trennen konnte.
»Und du hast versprochen, mir nie wehzutun.« Eine leise Mahnung. »Was zwischen uns ist … frisst mich auf.« Schreckliche Angst erfasste sie. Sie biss die Zähne zusammen und sah ebenfalls hinaus auf die See. »In deinem Schatten kann ich nicht die werden, die ich sein sollte. Womöglich wache ich eines Tages auf und stelle fest, dass in mir nur noch dieses Verlangen existiert, das mich wahnsinnig werden lässt.«
Die kalte Leere in ihm, die mit dem Dunklen Kopf kommunizieren und Befriedigung in Tatianas Furcht finden konnte, hielt das Geständnis für Unterordnung – genau wie die Tatsache, dass sie sich an ihn geklammert hatte, als sie beide die Besinnung verloren hatten. Er hatte die Macht, ihr seinen Willen aufzuzwingen. Wenn er sie lange genug festhielt, würde sie ihm mit Haut und Haar gehören. Doch selbst die gnadenlose, gewissenlose Leere wusste, dass diese Frau dann nicht mehr Sahara sein würde, denn seine Sahara wäre in der Umklammerung erstickt.
»Es gibt keine Garantie, dass du bei deinem Clan sicher bist«, sagte er, und die Wellen schlugen heftiger an den Strand, da die telekinetischen Kräfte ihm erneut zu entgleiten drohten.
»Ich erinnere mich an meinen Vater.« Gischt sprang Sahara ins Gesicht, und sie musste blinzeln. »Er ist nicht nur ein Name für mich, war nie nur der Samenspender. Er hat mich sicher vermisst.«
Die nassen Flecken auf seinem Hemd erinnerten Kaleb an die Glasscherben im Wohnzimmer. »Dein Vater ist in Silentium.« Schnell stellte er die Dissonanz auf höchste Stufe und ertrug die entsetzlichen Schmerzen vollkommen still. Er durfte die Kontrolle über seine gefährlichen Kräfte nicht verlieren, während Sahara neben ihm saß und darum bat, ihn zu verlassen. Der Schmerz hielt die telekinetische Energie nicht auf, er erinnerte ihn nur daran, dass er sich niemals gehen lassen durfte.
Falls er um sich schlug und Sahara tötete, würde er endgültig zu einem Albtraum werden.
»Wahrscheinlich ist er in Silentium«, sagte Sahara, im Kopf Bilder von einem Mann, der sie nach unzähligen Stürzen in der Kindheit auf den Arm genommen und ihr den Staub von den Kleidern geklopft hatte. »Doch ich war mehr für ihn als nur die Trägerin des genetischen Erbes.« Die Wellen waren immer noch hoch, rollten aber nicht mehr so heftig heran. Der TK -Mediale neben ihr hatte ins schwarze Eis zurückgefunden. Leidenschaftliche Wut brodelte in ihr gegen die Zurückgezogenheit, die ihn für vernünftige Argumente zugänglich machte.
»Mein Vater hat für mich gesorgt, obwohl meine einzige erkennbare Gabe nur aus einer eher kümmerlichen Sicht in die Vergangenheit bestand, die weit unter meiner Einschätzung auf der Skala lag.« Sie hielt ihr Handgelenk fest umklammert, um die Hand nicht nach Kaleb auszustrecken. »Nie hat er mir das Gefühl gegeben, ich sei eine Enttäuschung. Immer habe ich gewusst, dass ich ihm wichtig war.«
Sie sah Kaleb an, als dieser weiter schwieg, der Wind blies ihr das Haar aus dem Gesicht. »Hat er nach mir gesucht?«
Kaleb sah weiter auf das Meer hinaus, ihr war unbegreiflich, was der schwarze Blick dort suchte. »Ja. Vom Tag deines Verschwindens bis heute hat Leon Kyriakus bei NightStar die Suche nach dir geleitet.«
Hoffnung keimte in ihr auf. »Tatiana ist … aus dem Spiel.« Sie spannte die Bauchmuskeln an, um die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. »Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass irgendjemand aus meiner Familie je auf besonders gutem Fuß mit ihr stand. NightStar ist ein in sich eingeschworener Clan.« Das mussten sie sein. Um mit der Gabe für Zukunftsvisionen zu überleben, brauchte man die Unterstützung einer Gemeinschaft. »Selbst wenn sie Faith verkauft haben sollten, waren dafür rein ökonomische Gründe maßgebend.« Obwohl der
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