Geheimnisvolle Beruehrung
Gedanke an eine solche Möglichkeit schmerzhaft war. »Doch meine Fähigkeit in andere Hände zu geben, hätte keinerlei finanziellen Vorteil gebracht.«
Wieder keine Reaktion des gefährlichen TK -Medialen, der sie als seinen Besitz betrachtete.
»Ich will nach Hause, Kaleb«, sagte sie noch einmal, und die Wellen schlugen mörderisch hoch.
19
Es sah unglaublich aus, das Meer donnerte wie dunkel drohende Musik. Doch Sahara fürchtete sich nicht. Vielleicht war es dumm, aber sie glaubte Kaleb, dass er ihr nie etwas antun würde, dass sie bei dem faszinierenden und zu allem fähigen Mann in Sicherheit war. Seine Schönheit hatte etwas Hartes, wie glänzender Stahl, doch das machte ihn nur umso verführerischer, denn er brannte für sie, für niemanden sonst.
»Ich möchte bei meinem Vater in der Küche sitzen«, flüsterte sie mit Salz auf den Lippen, »und ich möchte in meinem alten Bett schlafen.« Sie war nicht mehr die Jugendliche, die in dem kleinen sauberen Haus mit ihrem Vater gelebt hatte, aber sie hatte keine andere Vorlage als diese Jugendliche, um herauszufinden, wer sie war.
Kalebs Antwort war scharf und kalt wie ein Skalpell. »Deine Schilde sind papierdünn.«
»Das stimmt.« Sie wünschte sich verzweifelt, ihn in den Armen zu halten und darüber zu klagen, was ihnen angetan worden war, umklammerte aber weiter ihre Handgelenke so fest, dass die Finger schon fast taub waren. »Ich brauche Hilfe, um mein gebrochenes Silentium und meine Verletzlichkeit zu verstecken.«
»Bittest du mich darum, dir zu helfen?«
Eine beinahe lächerliche Frage von einem Mann, der nach eigenem Bekenntnis Lehrling eines Serienmörders gewesen war und sie abseits jeglicher Zivilisation gefangen hielt. Dennoch sagte sie: »Ja.«
Sie konnte sich nicht länger beherrschen und berührte mit klopfendem Herzen seinen Unterarm über dem Mal, das weniger eine Narbe als ein Brandzeichen war. Durch die dünne Baumwolle zeichneten sich die Umrisse ab, die sie mit den Fingerspitzen betastete.
Schon oft hatte sie nach dem Mal fragen wollen, doch immer hatte ihr Herz so laut geschlagen, es in den Ohren wie ein Wasserfall gerauscht und sich ihre Kehle angefühlt, als schlucke sie Glassplitter. Das Mal war ein Schlüssel zur Vergangenheit, doch ihr Geist war noch nicht bereit, die Tür zu öffnen.
»Du kannst mich jederzeit erreichen, wann immer du willst.« Das war richtig, seine Macht war unbegrenzt – das durfte sie nicht vergessen, selbst wenn sie um ihre Freiheit kämpfte.
Ihre eigenen Kräfte waren ebenso unbegrenzt … doch obwohl alle Vernunft dagegen sprach, würde sie ihre Gabe nicht gegen Kaleb einsetzen. »Ich bitte dich nur, mir Zeit zu lassen, die zu werden, die ich sein soll.« Nicht nur falsches Stückwerk wie im Augenblick. »Es tut so weh, gebrochen zu sein.«
Ohne jede Rücksicht hatte Kaleb sieben Jahre lang nach ihr gesucht, und nun bat sie ihn darum, sie freizugeben. Die Leere, der gefährlich aus dem Gleichgewicht geratene Teil von ihm, den er nur durch seinen eisernen Willen aufrechterhielt, wollte das nicht zulassen.
Sie gehört mir. Mir allein.
Kein anderer hatte ein Recht auf sie.
Doch jener Teil beschützte auch Sahara und hatte schon längst begriffen, dass sie vollkommen brechen würde, wenn er sie weiter festhielt. Er musste sie gehen lassen. Ihre Dankbarkeit wird das Band zwischen uns stärken, flüsterte der Manipulator in ihm. Schon hatte sie um seine Hilfe gebeten – wenn er es richtig anstellte, würde sie sich immer zuallererst an ihn wenden.
Bei ihrem Clan war sie sicher. NightStar schloss seine Verrückten zwar weg, doch lebten die gebrochenen Hellsichtigen in einer Umgebung, die unter den wachsamen Augen von Aufpassern einen Rest von Lebensqualität bot, damit sie nicht ganz isoliert waren und sich nicht selbst etwas antaten. Das Oberhaupt des Clans, Anthony Kyriakus, wusste sogar, was Loyalität war – kein V-Medialer der NightStars war jemals im Stich gelassen worden, nicht einmal die berühmte Abtrünnige. Saharas gebrochenes Silentium würde bemerkt, aber vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden.
»Ich werde weiter den Schild für dich aufrechterhalten.« Dafür reichte seine Kraft, zudem besaß er Zugang zu den Quellen des Netkopfs und des Dunklen Kopfs, wie Tatiana schon festgestellt hatte. »Niemand wird in deinen Geist hineingelangen.«
Sahara nickte, ihr zartes Profil hob sich vor den Dünen ab. Allein und einsam. Das hatte er nicht bedacht, und es konnte sehr
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