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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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stand am Hintereingang des Unwin-Hauses in Kensington und starrte Mrs   Beaman verständnislos an. »Sie meinen, meine Schwester macht gerade einen Botengang?«
    »Nein. Ich meine, dass sie weg ist. Abgehaun. Durchgebrannt.«
    »Die Unwins haben sie entlassen?«
    »Nein.« Die Köchin redete, als hätte sie es mit jemand Begriffsstutzigem zu tun. »Ich sag doch, sie ist abgehaun. Weggerannt.«
    Grace schluckte und hatte Mühe, weiterzusprechen. »Wann war das?«
    »Oh, das muss jetzt gut und gern ein paar Tage her sein. Eine Woche gar schon.«
    »Aber wo ist sie denn hin?«
    »Wohin? Was weiß ich? Sie hat uns keine Visitenkarte geschickt!«, sagte Mrs   Beaman.
    »Aber sie kennt doch gar niemanden! Wo sollte sie denn hingehen?«
    »Weiß der Himmel!«
    »Aber warum? Bitte sagen Sie mir doch, was Sie wissen   … Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb sie weglaufen würde. Waren die Unwins unfreundlich zu ihr?«
    Mrs   Beaman schien das Ganze ein wenig unbehaglich zu werden. »Unfreundlich? Wie kämen sie denn dazu! Die haben sie doch richtig gut behandelt, nein, wirklich.«
    »Kann ich dann vielleicht mit den anderen Dienstmädchen sprechen – mit Lizzie oder Blossom? Vielleicht haben die ja irgendeine Ahnung, wo sie hin   … «
    »Wir haben jetzt neue Dienstboten«, unterbrach die Köchin. »Ganz neues Personal. Die Mistress wollte es so. Wir haben jetzt Ethel, Maud und Charity. Die kennen sie gar nicht. Die waren noch kaum zwei Minuten da, bevor sie ausgeflogen ist.«
    Grace schwieg einen Moment. »Mrs   Beaman, haben Sie irgendeine Ahnung, wo meine Schwester hingegangen sein könnte? Hat sie gesagt, dass sie Heimweh nach mir hat? Ist sie vielleicht bloß weggelaufen, um zu mir zu kommen?« Grace malte sich im Geiste aus, wie Lily zur Edgeware Road gegangen war und dort erfahren hatte, dass Grace im Geschäft in der Oxford Street arbeitete, und sich dann womöglich nicht durch die riesigen Glastüren des Kaufhauses getraut hatte.
    Die Köchin schüttelte den Kopf. »Ich glaube, die Herrschaften nahmen an, dass sie wohl mit einem von den Stallburschen von dem großen Haus da drüben durchgebrannt ist.«
    »Welchem großen Haus?«
    Mrs   Beaman deutete mit einer vagen Handbewegung die Straße hinauf. Es war ihr nicht wohl dabei, diese Geschichte auf Mr   Unwins Anweisung hin in Umlauf zu bringen. »Mich darfst du nicht fragen. Ich hab das bloß gehört. Mrs   Unwin hat gesagt, sie hätte sie mehrmals dabei erwischt, wie sie zum hinteren Fenster raus mit dem Burschen geredet hat.«
    Grace traten Tränen in die Augen. »Aber warum hat mir denn niemand etwas gesagt? Warum hat mir niemand Bescheid gesagt, dass sie weggelaufen ist?«
    »Wahrscheinlich wollten sie nicht, dass du dir Sorgen machst«, erwiderte Mrs   Beaman und fing an, die Tür zuzumachen. »Mit dem ganzen Kummer, den alle gerade sowieso schon haben.«
    »Aber sie ist meine Schwester. Ich kann sie nicht verlieren. Sie ist die einzige Familie, die ich habe!«
    »Falls sie mir begegnet, sag ich ihr, sie soll sich bei dir melden«, waren Mrs   Beamans Abschiedsworte.
    Graces Verzweiflung hatte sie jedoch zutiefst berührt, und nachdem sie die Tür geschlossen hatte, musste sie erst einmal tief durchatmen und sich wieder fassen, bevor sie sich imstande sah, zu ihren Haushaltspflichten zurückzukehren.
    Es war der Tag von Prinz Alberts Begräbnis, und im Großteil der Britischen Inseln war das Leben komplett zum Stillstand gekommen. Die Ladenbesitzer hatten die Hoffnung gehegt, dass der im Dezember generell schwache und seit dem Tod des Prinzen gänzlich erlahmte Handel sich vor der Weihnachtszeit wieder etwas beleben würde, doch es schien, als sei Weihnachten dieses Jahr vom Kalender gestrichen, und niemand war zu festlicher Stimmung aufgelegt. Vor allem in London und Windsor – in der dortigen St.   George’s Kapelle sollte die Beerdigungsfeier stattfinden – herrschte eine zutiefst bedrückende Atmosphäre: Die Läden blieben geschlossen, jegliche Arbeit ruhte, in den Privathäusern waren sämtliche Vorhänge vorgezogen und die Straßen waren nahezu menschenleer. Wer sich dennoch im Freien zeigte, trug, egal ob von hohem oder niedrigem Stand, irgendein Symbol der Trauer an seiner Kleidung, und in den großen Kirchen im ganzen Land läuteten die Totenglocken.
    Selbstverständlich blieben an diesem Tag auch das Unwin-Bestattungsinstitut und das Unwin-Trauerbekleidungskaufhaus geschlossen. Grace und die anderen Kaufhausangestellten hatten die

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