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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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einen langen Pelzmantel gehüllt   –, die sie daran erinnerte, was für ein Glück es doch für sie sei, für die Unwins arbeiten zu können, und sie aufforderte, dafür zu beten, dass ihnen dieses Glück auch weiterhin beschieden sei.
    »Darf ich vielleicht fragen, ob Sie irgendetwas von meiner Schwester gehört haben?«, fragte Grace mit dem Mut der Verzweiflung, als Miss Charlotte ihr das Geschenk überreichte.
    »Ich? Ob ich etwas von deiner Schwester gehört habe?« Miss Charlotte machte kugelrunde Augen. »Nein, natürlich nicht. Was für eine eigenartige Vorstellung!«
    »Ich dachte nur, irgendjemand könnte vielleicht etwas von ihr gehört haben«, sagte Grace kleinlaut, »und da Sie doch ein so freundliches Interesse an ihr gezeigt haben   … «
    Miss Charlotte schüttelte den Kopf. »Ich habe kein Wort von ihr gehört, noch würde ich so etwas erwarten. Ich habe dir doch schon gesagt, dass sie ein wenig überfreundlich zu einem jungen Mann war, nicht wahr?«
    Grace nickte.
    »Nun, da hast du es.«
    »Habe ich   … was?«
    »Da siehst du mal, dass einem Mädchen, dass sich seinen Ruf in der gesitteten Gesellschaft ruiniert,manchmal nichts anderes mehr übrig bleibt, als zu verschwinden.«
    »Ich glaube nicht, dass sie –«, wollte Grace einwenden, doch Miss Charlotte hatte sie einfach stehen lassen und eilte bereits davon, um zur Mittagszeit in einem Hospital für vaterlose Mädchen wollene Unterhemden zu verteilen.
    In dieser Nacht tat Grace kein Auge zu. Wenn sie ihre Schwester nicht so gut gekannt hätte, wenn sie und Grace nicht seit jeher immer zusammengehalten hätten, wenn diesem ganzen Unwin-Unternehmen nicht irgendetwas Unlauteres anhaften würde – ja, vielleicht hätte Grace dann diese Geschichte geglaubt und würde sich jetzt nicht alle möglichen düsteren Erklärungen zusammenreimen. Aber warum sollte irgendjemand ein Interesse daran haben, Lily zu entführen? Was sollte denn damit zu gewinnen sein? Grace wälzte diese Fragen in ihrem Kopf und warf sich dabei seufzend und grübelnd im Bett hin und her, bis selbst die sonst so stoische Jane sich beschwerte.
    In den frühen Morgenstunden glaubte sie jedoch plötzlich, auf eine fürchterliche Erklärung gestoßen zu sein: Das ganze Bestreben der Unwins galt dem Anhäufen von Geld, und dafür gab es eine unfehlbare Methode. Hatten sie etwa ihre arglose, unbedarfte Schwester beiseitegeschafft, um sie als Prostituierte arbeiten zu lassen?
    Man hörte immer wieder von solchen Geschichten– und gar nicht einmal so weit weg. Sogar Mrs   Macready hatte ihr einmal von so einer Ärmsten erzählt, die in dem heruntergekommenen Keller des Nachbarhauses für genau diesen Zweck festgehalten worden war. »Nicht mal um ein wenig frische Luft zu schnappen, durfte sie raus«, hatte sie erzählt. »Und kaum zu essen hat sie bekommen, und krank und immer angekettet war sie. Irgendwann ist die arme Frau gestorben. Als sie ihre Leiche gefunden haben, hatte sie überall Rattenbisse   … « Ja, je länger Grace darüber nachdachte, desto mehr fürchtete sie, dies müsse die Erklärung sein.
    Vier weitere Tage verstrichen, bis Grace eine Gelegenheit fand, die Inns of Court aufzusuchen. Da sie fürchtete, erneut von Mr   Meakers abgewiesen zu werden, gab sie einem Straßenjungen einen Halfpenny, damit er an die Tür der Kanzlei klopfte und eine Nachricht für Mr   James Solent überbrachte. Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis er erschien. Sie setzten sich zusammen auf eine Bank auf dem Gelände, und Grace suchte verlegen nach den richtigen Worten, um ihm von ihrem Verdacht zu berichten.
    »Grace, ich   … Können wir nicht du sagen? Ich versichere dir, dass alles, was du mir erzählst, unter uns bleibt«, sagte er, ihr Zögern spürend. »Als wir uns kennenlernten, habe ich dir versprochen, dir zu helfen, wenn ich kann, und ich würde mich nach wie vor freuen, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte.«
    Grace presste die Lippen zusammen. Wie sollte sie nur so einen schrecklichen Verdacht äußern?
    »Bist du in Umstände geraten, für die du dich schämst?«, fragte er sanft. »Vielleicht kann ich dir etwas Geld leihen, wenn dir das hilft, dich vor einer Versuchung zu bewahren.«
    »Nein, nein! Das ist es nicht!«, rief Grace hastig aus und schüttelte dazu den Kopf. »Nicht ich!«
    »Arbeitest du immer noch für die Unwins?«
    Sie nickte, und dann brach es aus ihr heraus: »Es geht um meine Schwester – sie ist verschwunden!«
    »Verschwunden?«,

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