Geheimprojekt Styx
der Schießbahn der drei Norweger war für Hendricks beinahe schon fast etwas ernüchternd gewesen, ebenso für Brauer. Aber nur beinahe fast. Sie hatten beide schlechter abgeschnitten als die drei Norweger, doch befanden sie sich immer noch auf einem sehr hohen Niveau, das durchaus mit dem eines aktiven Mitglieds der US Special Forces mithalten konnte. Je nach Waffentyp, etwas mehr oder weniger.
Der beste Schütze war, wie nicht weiter verwunderlich, Ivar Prestud gewesen. Er war der Scharfschütze des Trios und schoss entsprechend. Ihm reichte niemand das Wasser, Saxegaard kratzte immer wieder im Pistolenschießen an den Ergebnissen, Ragnarsson an denen im Schießen mit leichten Maschinengewehren. Brauer selbst führte im Bereich der Sturmgewehre, wurde, sobald es zu den Pistolen kam, aber gnadenlos von Saxegaard überholt. Hendricks fragte sich, wie viel Schuss Saxegaard pro Woche wohl verschoss, um diese Präzision zu erreichen.
Die Antwort war schockierend. Zweitausend Schuss Munition allein für die Pistole – und das jede Woche. Saxegaard war außerdem der absolute Nahkampfspezialist, er unterrichtete Hendricks auch in einem Crash-Kurs im richtigen Umgang mit einem Tomahawk, dessen Sinn der gebürtige Rhodesier erst nach und nach vollends erfasste.
Saxegaard ging sogar so weit und machte einen seiner Tomahawks Hendricks zum Geschenk, er stellte sie selbst her und entsprechend waren sie auch verarbeitet – robust, an den praktischen Einsatz angepasst und ohne Schnörkel. Hendricks fand tatsächlich Gefallen an der exotischen Waffe, die, wie er gelernt hatte, viel mehr war als eine simple Wurfwaffe. Dass Saxegaard auf zehn Metern ein Schnapsglas exakt in der Mitte traf, und ein menschliches Ziel auf zwanzig Metern immerhin noch im Brustbereich, spielte dabei keine Rolle.
Nun saßen die fünf Männer, die unterschiedlicher kaum sein könnten, in der Gulfstream auf dem Weg nach Grönland, im Gepäck ein ganzes Waffenarsenal, Winterkleidung für bis zu minus fünfzig Grad und Einmannpakete für drei Wochen. Der Frachtraum der Gulfstream war also gut gefüllt, doch die Stimmung in der Kabine war ausgelassen. Die drei Norweger gingen sehr humorvoll mit der bevorstehenden Operation um, Brauer war wie üblich kühl und distanziert, und Hendricks war in Gedanken tausende Kilometer weit weg bei Sanchez, die er von Stunde zu Stunde mehr vermisste.
Komisch, dachte er mit einem Blick aus dem Fenster, früher hattest du damit weniger Probleme.
Den Grund dafür fand Hendricks nicht und er wollte ihn auch gar nicht finden. Alles was er wollte, war die ganze Sache hinter sich zu bringen und endlich wieder bei Nadia sein – ohne Gefahr zu laufen, den nächsten Tag wieder aufbrechen zu müssen.
Er entschied sich schließlich dazu, Sanchez anzurufen. Hendricks fischte sein iPhone aus der Jackentasche und tippte dann auf die erste Schnellwahltaste. Es dauerte etwas, bis das interne Kommunikationssystem der Gulfstream das Signal zum Boden weitergeleitet hatte und nebenbei dafür sorgte, dass die Systeme wie Kommunikation und Navigation nicht gestört wurden. Und schließlich erledigte die eingespeiste Verschlüsselungssoftware auch noch ihren Dienst, indem sie das Signal nahezu unknackbar verschlüsselte.
„Hi, Mike“, begrüßte Sanchez Hendricks auf Spanisch, da die Nummer samt dazugehörigen Namen angezeigt worden war.
„Hey, du“, erwiderte er und stellte einen Fuß auf den Holztisch vor sich. „Wir sind jetzt auf dem Weg nach Grönland, treffen dort noch jemanden, der uns dann zum Ziel bringen soll. Brauer kennt ihn wohl von früher.“
„Apropos Brauer, Mike. Artur ist hier eingetroffen.“
„Moment mal“, sagte Hendricks. „Der sollte doch in Katar sein. Was macht der denn in Nassau?“
„Das musst du ihn schon selbst fragen, aber er hat hier das Kommando übernommen und Lane quasi entmachtet.“
Strenggenommen ist Art der Abteilungsleiter, dachte Hendricks, aber was zum Henker macht der bei Nad?
„Was heißt entmachtet?“
„Artur ist doch der Leiter für Mittel- und Südamerika. Damit hat er die Autorität, die dazu nötig ist.“ Sanchez schien kurz zu zögern. „Muss ich dich jetzt etwa über die Struktur deines Unternehmens aufklären?“
Hendricks reagierte erst nach einigen Sekunden. „Unser Unternehmen, und nein, brauchst du nicht. Ich frage mich bloß, was Art bei dir macht?“
„Er ist furchtbar paranoid, hat die Wachen verdoppelt und schläft mit einer Pistole in der Hand auf einem
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