Geheimprojekt Styx
als die Wand abrupt steiler wurde und Saxegaard innehielt. Er schaute zu beiden Seiten und wies mit einer Hand, während die andere seinen Körper an der Wand hielt, auf einen Vorsprung, etwa drei Meter rechts von ihnen und sechs bis sieben unter ihnen. Ein Hinunterklettern kam nicht in Frage, befand sich zwischen ihnen und dem Vorsprung doch eine Gletscherspalte, deren Wände nicht wirklich vertrauenserweckend aussahen. Es kam also nur der bedeutend gefährlichere Sprung in Frage.
„Wir weichen nach rechts aus. Alle Mann mir nach“, befahl Saxegaard und zog einen der Eispickel aus dem Eis. Er sah noch einmal zur Seite, nahm etwas Schwung und sprang dann schräg von der Wand weg, segelte durch die von Schneeflocken erfüllte Luft und krachte planmäßig auf den Vorsprung. Blitzschnell trieb er den ersten Pickel, dann den zweiten Pickel ins Eis und zog sich nach oben. Er drehte den Kopf, was aufgrund der dicken Kleidung recht seltsam aussah, und hob erneut eine Hand.
„Los, Mike!“
Hendricks dachte gar nicht erst lange über die möglichen Konsequenzen nach. Er wusste sehr genau, dass er vermutlich sterben würde, sollte dieser Sprung hier scheitern. Doch er hatte nicht umsonst den K2 und den Mount Everest erklommen. Er zog also seinerseits einen Pickel aus dem Eis, wobei er recht froh über seine körperliche Verfassung war, ansonsten hätte er das Halten mit nur einer Hand vermutlich nicht lange durchgehalten, und machte sich für den Sprung bereit.
Er hatte solche Manöver wie dieses schon Dutzende Male gemacht, doch trotzdem sah er das schnelle Herausziehen des Pickels als durchaus problematisch an. Daher zog er auch vor dem Sprung den Pickel zur Hälfte aus dem Eis, genau wie Saxegaard es zuvor gemacht hatte.
Hendricks sprang ab, segelte durch die Luft, verlor an Höhe, landete jedoch nicht ganz wie geplant. Der erste Pickel rutschte von einem Stück gefrorenen Fels ab, der zweite blieb lediglich zur Hälfte stecken und begann bereits wieder herauszurutschen. Hendricks, der nur noch durch einen Pickel am Absturz gehindert wurde, reagierte blitzschnell. Die obligatorische Schrecksekunde, wie sie bei weniger erfahrenen Menschen völlig normal war, fehlte bei ihm. Denn er hatte eine noch schlimmere Situation bereits erlebt, mehrfach sogar.
Er riss also den Tomahawk aus seiner Scheide am Oberschenkel und rammte den spitzen Hammerkopf ins Eis, dann ließ er den verbliebenen Eispickel los und griff nach dem Ersatzpickel, welchen er rund einen halben Meter weiter oben ins Eis trieb.
Sein Herz raste, der Schweiß brach aus und trotz der Kälte war Hendricks mehr als nur erwärmt. Es war das Adrenalin, das ihn aufwärmte und ihm auch die Kraft verlieh, die er brauchte, um sich und das zusätzliche Körpergewicht auf den Vorsprung und darüber hinaus zu ziehen. Er trieb die Steigeisen des linken Stiefels tief in das Eis und anschließend den anderen Stiefel, ehe er sich etwas verrenkte und den immer noch im Eis steckenden Pickel herauszog. Der Tomahawk wanderte wieder zurück in die Scheide an der Oberschenkeltasche, dann kletterte er hinter Saxegaard hinterher.
Niemand hatte etwas gesagt oder tat es jetzt. Sie waren Profis, erfahren genug, um sich von solchen Dingen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Einzig als Ragnarsson mit dem Zusatzgepäck den Sprung ausführte, wobei Hendricks den großen Mann deutlich schnaufen hörte, kommentierte Saxegaard dies mit einem „Gute Arbeit, Knut“. Anschließend kletterten sie die verbliebenen achtzig Meter empor und Saxegaard zog sich schließlich am Ende mit nur einer Hand am Pickel hoch, die andere hielt eine Pistole schussbereit.
Er verharrte in dieser hängenden Position, ehe er über die Kante verschwand und kurz ein Handzeichen gab, dann rückte Hendricks nach. Saxegaard kniete im hüfttiefen Schnee, seine modifizierte AK-47 schussbereit und aufmerksam die Umgebung im Auge behaltend. Hendricks erreichte, inzwischen schweißgebadet, die Oberkante der Klippe und ging neben Saxegaard in Stellung. Es dauerte etwa eine Minute, bis die drei anderen Männer ebenfalls ihr Ziel erreicht hatten, Ragnarsson trennte sich von dem Zusatzgepäck und vergrub es halbwegs im Schnee.
„Nis, wie ist die Sicht?“, fragte Hendricks dann über Funk und war gerade dabei, seine Skibrille etwas zurechtzurücken.
„Miserabel. Ich sehe praktisch gar nichts, selbst mit dem Wärmebildvisier, das bereits drei Batterien gefressen hat. Wenn der Schnee nicht weniger wird, müsst ihr ohne
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