Geheimrezept zum Glücklichsein
Schritt zurück. Sie benahm sich albern. Mit wackeligen Beinen setzte sie sich auf den Bordstein und ließ den Kopf auf die Knie sinken. Das Manuskript geht nach New York, und zwar heute, entschied sie. Es wunderte sie, dass sie früher einmal beabsichtigt hatte, diesen denkwürdigen Augenblick mit Champagner zu feiern. Nun war ihr absolut nicht nach Feiern zumute. Ihr war danach zumute, ins Bett zu kriechen und sich die Decke über den Kopf zu ziehen.
Was war, wenn sie sich irrte? Warum hatte sie bisher nie die Tatsache in Betracht gezogen, dass sie sich gänzlich irren konnte – in ihrem Buch, in Nathan, in sich selbst?
Sie hatte ihr Herz in diesen Roman gelegt und ihn dann an einen praktisch Fremden geschickt, der die Autorität besaß, ihn zu loben oder zu verdammen, ohne jegliche Rücksicht auf ihre Person. Es war nichts als eine geschäftliche Entscheidung.
Sie hatte Nathan ihr Herz geschenkt, sie hatte es ihm mit beiden Händen gereicht und ihn förmlich gezwungen, es anzunehmen. Wenn er nun versuchte, es ihr zurückzugeben, wie sanft auch immer, das Herz war angeknackst.
Jackie spürte Tränen auf ihren Wangen. Welch ein erbärmlicher Anblick, dachte sie empört, während sie mit dem Handrücken die Tränen wegwischte. Eine erwachsene Frau saß auf einem Bordstein und weinte, weil sich die Dinge vielleicht nicht so entwickelten, wie sie es wollte.
Sie schniefte, stand dann auf. Vielleicht klappte es nicht, und sie würde es verkraften müssen. Aber bis dahin wollte sie ihr Möglichstes tun, um zu gewinnen.
Zu Mittag saß Jackie am Tresen in der Küche, die Ellbogen aufgestützt, und schaute sich die neuesten Fotos von Mrs Granges Enkelkindern an, während sie Nudelsalat aßen.
»Sie sind entzückend. Dieser hier … das ist Lawrence, stimmt’s?«
»Ja. Er ist drei, ein richtiger Strolch.«
Jackie musterte den Kleinen mit dem Fleck am Kinn, der nach Erdnussbutter aussah. »Er sieht aus wie ein Herzensbrecher. Haben Sie oft Gelegenheit, mit ihnen zusammen zu sein?«
»Hin und wieder. Aber es scheint nie genug zu sein bei Enkelkindern. Sie wachsen schneller heran als die eigenen Kinder. Die hier, Anne Marie, ist mir ähnlich . « Mrs Grange deutete mit einem Finger auf den Schnappschuss eines kleinen Mädchens in einem duftigen blauen Kleid. »Es ist jetzt kaum zu glauben …« , sie tätschelte ihre üppige Hüfte, »… aber ich war eine gut aussehende Frau, als ich ein paar Jahre und ein paar Pfunde weniger hatte.«
»Sie sind immer noch eine gut aussehende Frau, Mrs Grange . « Jackie schenkte von dem Fruchtsaft nach, den sie gebraut hatte. »Und Sie haben eine wundervolle Familie.«
Weil das Kompliment ungezwungen klang, nahm Mrs Grange es an. »Familien, die machen vieles wieder gut. Ich war achtzehn, als ich davonlief, um Clint zu heiraten. Oh, er war hübsch anzusehen, das können Sie mir glauben. Schlank wie eine Schlange und doppelt so hinterhältig . « Sie schmunzelte, wie eine Frau es über einen alten und beinahe verblassten Fehler vermochte.
»Man konnte sagen, ich war völlig hingerissen . « Sie nahm eine Gabel voll Nudeln, während sie im Geist zurückblickte. Es fiel ihr gar nicht auf, dass sie mit jemandem, den sie kaum kannte, über private Dinge redete. Jackie machte es leicht zu reden.
»Mädchen haben in dem Alter keinen Verstand, und ich war nicht anders. Schnell gefreit, lang bereut, sagt man, aber wer hört schon darauf?«
»Die Leute, die das sagen, hatten wahrscheinlich nie das Glück, völlig hingerissen zu sein« , wandte Jackie ein.
Mrs Grange lächelte bewundernd über Jackies Logik. »Das ist sehr wahr, und ich kann nicht sagen, dass ich es bereue, obwohl ich mich mit vierundzwanzig in einer winzigen, engen Wohnung wiederfand, ohne Ehemann, ohne einen Penny, und mit vier kleinen Jungen, die ihr Essen verlangten. Clint hatte uns verlassen.«
»Das tut mir leid. Es muss schrecklich für Sie gewesen sein.«
»Es war nicht gerade ein schöner Moment . « Mrs Grange wandte den Kopf und sah, dass Jackie sie nicht mit höflichem Interesse, sondern voller Mitgefühl und Verständnis anblickte. »Manchmal bekommen wir, wonach wir verlangen, und ich hatte nach Clint Grange verlangt, der wertlosen Schlange, die er war.«
»Was taten Sie, nachdem er fort war?«
»Ich weinte. Damit verbrachte ich die ganze Nacht und den größten Teil des nächsten Tages. Es tat mächtig gut, das Selbstmitleid, aber meine Jungen brauchten eine Mutter, nicht eine heulende Weibsperson,
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