Gehetzt
die Maschinenpistole hatte.
Statt dessen ertönte wieder Colburns Stimme:
»Das Krad fährt hinter uns her. Ich habe die Linkskurve vor uns gesehen. Halten Sie ruhig das Tempo, und machen Sie sich keine Sorgen. Ich komme damit schon klar.«
In Wirklichkeit war Colburn sehr besorgt. Er blickte zurück.
Der Scheinwerfer des Verfolgerfahrzeugs kam rasch näher.
Der Kanadier bemerkte die Gefahr, in der er schwebte. Wenn er aufrecht im Turm stehenblieb und das Motorrad nahe genug herankam, konnte der Soldat im Seitenwagen, der vor dem Haus die Maschinenpistole getragen hatte, ihm mühelos den Kopf wegpusten. Colburn nahm zwei Handgranaten aus der Tasche und legte eine hinter den Sprengapparat, wo sie nicht hin und her rollen konnte. Nicht viele hätten dies gewagt, doch für Colburn war der Apparat tot, bis der Schalter gedreht wurde. Mit einem Blick streifte er die Schießbaumwolle unten auf der Drehplatte.
›Laß das Ei nicht da drauffallen, Junge‹, ermahnte er sich selbst.
Er hackte den Finger in den Reißring der Granate.
›Mach’s richtig, Junge, kalkuliere die Geschwindigkeit des Tanks und das Tempo des Krades. Und wirf genau.‹
Er riß den Ring ab und zählte: eins, zwei, drei, vier.
Dann holte er weit aus und schleuderte den Sprengkörper den Verfolgern entgegen. Sofort griff er nach der zweiten Granate.
Abziehen, zählen…
Er nahm den Kopf herunter, als die erste Granate dicht vor den Deutschen detonierte und krachend die Straße aufriß. Der Blitz reflektierte an den Häuserwänden. Das Motorrad stieg hoch und riß den Seitenwagen mit sich. Die Räder drehten sich wild in der Luft, der Seitenwagen brach aus seinen Halterungen.
Colburn warf die zweite Granate ungezielt aus seiner Deckung heraus, weil er sie loswerden mußte. Im Lichtblitz der Explosion sah er das Wrack des Krades mitten auf der Straße. Sogar der Scheinwerfer war zerborsten.
Erleichtert stieß er den Atem aus, was auch Barnes über Bordfunk mitbekam.
»Ich hab’ sie erwischt.«
Colburn lehnte sich gegen den Turmrand und wischte sich die schweißnassen Hände an seiner Fliegerhose trocken. Er hatte noch mitbekommen, wie der Mann im Seitenwagen kopfüber auf die Straße stürzte, und war froh, daß es so schnell vorbei war. Diese wenigen Minuten hatten ihn so sehr das Fürchten gelehrt, daß er beinahe einen lebensgefährlichen Fehler begangen hätte. Die Furcht hatte ihn so in ihren Klauen gehalten, daß er vergessen hatte, die feuchten Hände vorher trocken zu wischen. Die zweite Granate wäre ihm fast aus den Händen in den Turm gefallen. Allein der Gedanke an diese Situation trieb ihm wieder den Schweiß auf die Stirn, doch es war vorüber. Er war erleichtert und froh, daß er noch am Leben war.
Und das war erst der Anfang gewesen, eine Bagatelle, wenn man so wollte. Was ihnen noch bevorstand, hatte ganz andere Dimensionen…
Die Scheinwerfer fielen auf eine beschriftete Hausmauer: Restaurant de la Gare.
»Wir nähern uns dem Haus – diesem Restaurant an der Linkskurve. Ich weise Sie ein.«
Barnes hatte schon das Tempo gedrosselt und fuhr vorsichtig um die Ecke. Er hatte die Hände auf den Steuerhebeln und lenkte den Koloß entsprechend Colburns Anweisungen. Die Kurve war sehr eng, die Ketten schlitterten über das abschüssige Kopfsteinpflaster. Barnes mußte die Kehre im Kriechgang nehmen. Colburn prüfte ständig den Seitenabstand und sprach ununterbrochen ins Mikrofon. Sie schrammten fast an der rechten Hauswand entlang, dann hatte Bert die Kurve geschafft, und Barnes gab wieder Gas. Die Ketten klirrten und ratterten über die Pflastersteine.
›Das war knapp‹, dachte Colburn, ›aber wir haben das sauber hingekriegt.‹ Er blickte nach vorn und genoß das Gefühl der Erleichterung, wobei er sich fragte, was Barnes wohl empfinden mochte.
In der Nase von Bert kämpfte Barnes mit einem völlig anderen Gefühl. Er steckte in ernsthaften Schwierigkeiten. Der Sergeant fragte sich, ob sie ihr Vorhaben jemals zu Ende bringen konnten. Lähmendes Entsetzen hatte ihn gepackt. Eine der Kisten mit den Sprengkapseln hatte sich gelöst, als Barnes Bert langsam um die Kurve auf die abfallende Straße steuerte.
Er hatte die Kehre fast gemeistert, als er einen schweren Schlag an der rechten Schulter spürte. Dem Sergeant blieb gerade Zeit für einen kurzen Seitenblick. Die schwere Kiste war vorgerutscht und ragte weit über die darunterliegende Kiste hervor. Nur Barnes’ Schulter verhinderte, daß sie herunterfiel. Das
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