Gehetzt
Kopfsteinpflaster ließ den Tank heftig vibrieren. Auf der Fahrt hügelabwärts versuchte Barnes, die Kiste mit der Schulter in ihre ursprüngliche Lage zurückzuschieben, und fiel dabei vor Schmerz fast von seinem Sitz. Wellen von Übelkeit durchliefen seinen Körper und raubten ihm beinahe das Bewußtsein. Er biß sich auf die Lippen. Zum zweitenmal in dieser Nacht schmeckte er sein eigenes Blut auf der Zunge.
Die schwere Kiste drückte hart gegen seine Schulter, und er konnte nichts dagegen unternehmen, außer zu beten, daß sie in der nächsten Rechtskurve in ihre Ausgangsposition zurückrutschte. Fuhr er immer noch geradeaus?
Mit fast übermenschlicher Willensanstrengung konzentrierte er sich wieder auf die Straße vor dem Sehschlitz.
»Barnes, ich sehe die Kanalböschung unten am Ende des Abhangs. Wir sind auf der richtigen Straße. Gleich müssen wir nach rechts abbiegen.«
Nichts erwartete Barnes sehnsüchtiger als diese Kurve. Aber er würde den schmerzhaften Druck der schweren Kiste noch einige Zeit ertragen müssen, denn er brauchte beide Hände zum Steuern.
Wieder ertönte Colburns Stimme, wieder klang sie angespannt – erstes Anzeichen einer drohenden Gefahr.
»Da, vor uns bewegt sich was… ein Soldat in einem Hauseingang. Wahrscheinlich ein Posten. Halten Sie die Geschwindigkeit. In knapp hundert Metern biegen wir ab…«
Colburn duckte sich unter den Turmrand und wartete auf den Anruf des Postens und den Feuerstoß aus der Maschinenpistole. Die eigene Maschinenpistole hielt er schußbereit in der Hand. Der Tank ratterte über das Pflaster, die dunklen Silhouetten der Hausdächer schwebten über dem offenen Turmluk vorbei, am Himmel glitzerten Sterne. Der Mond stand tief, und Colburn spürte die Morgenkälte im Nacken. Nichts tat sich.
Schließlich hielt es der Kanadier nicht mehr aus und spähte über den Turmrand. Die Straße lag verlassen da, doch er sah deutlich den Schatten in dem Eingang, einen reglosen Schatten. Es war unglaublich. Seine Verblüffung klang deutlich durch den Kopfhörer.
»Barnes, er rührt sich nicht von der Stelle – obwohl wir in einem britischen Tank sitzen.«
›Es funktioniert‹, dachte Barnes. ›Das Überraschungsmoment wirkt.‹ Vielleicht wußte der Posten nicht viel über die unterschiedlichen Panzertypen. Vielleicht hatte man ihn von anderen Aufgaben zum Wachestehen abgezogen, und er war müde und setzte einfach voraus, daß jedes Fahrzeug mit aufgeblendeten Scheinwerfern im deutsch besetzten Lemont ein deutsches Fahrzeug sein mußte. Vielleicht war er auch im Stehen eingeschlafen. Hauptsache, die Überraschung war gelungen. Vielleicht gelang sie ihnen noch einmal.
Colburns Stimme kam erregt über die Leitung:
»Ich kann jetzt das Ufer deutlich sehen. Wir sind dicht vor der Abzweigung. Seien Sie vorsichtig, die Kurve ist sehr eng. Ich weise Sie ein…«
Barnes drosselte das Tempo fast bis auf Null. Er erinnerte sich, daß diese Kurve die schlimmste war. Die Strecke, die sie fahren mußten, war so einfach, daß er seit Verlassen des Hofes immer genau wußte, wo sie sich gerade befanden. Der Weg durchs Dorf führte immer geradeaus über den Platz, durch die einmündende Straße bis zur ersten Linkskehre und den Hügel hinunter. Unten ging’s dann rechts über die Straße am Kanalufer entlang geradeaus weiter. Wenn sie durch die Kurve kamen…
Sie waren fast durch, da passierte es. Ein harter Stoß ließ Bert erbeben, mit laufendem Motor blieb er stehen. Barnes war sofort auf die Bremse getreten. Durch die heftige Erschütterung war die Kiste mit den Sprengkapseln erneut gegen seine Schulter geprallt. Der Sergeant kämpfte gegen ein überwältigendes Schwindelgefühl an und kam infolge der Schmerzen überhaupt nicht auf den Gedanken, mit seinen momentan freien Händen die Kiste in die ursprüngliche Position zu schieben. Durch seine Benommenheit drang Colburns Stimme:
»Die Kette hat die linke Straßenmauer gestreift. Tut mir leid – mein Fehler. Wir müssen schleunigst raus hier. Der Posten kommt den Hügelhang herunter. Langsam zurücksetzen. Vorwärts kommen wir nicht weiter.«
Als Barnes vorsichtig rückwärts stieß, hörte er deutlich das Knirschen der Kette, die an der Mauer entlangschabte. Der Tank saß fest.
Der Sergeant verzog das Gesicht und dachte einige Sekunden nach. Wenn sie Pech hatten, besaßen sie bald kein Fahrzeug mehr. Er hatte einmal gesehen, wie eine Kette gerissen war und sich von den Rädern gelöst hatte. Der Panzer war
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