Gehetzte Uhrmacher
erschrocken befürchtet, er habe sich das Leben genommen. Gleich darauf hatte sie gemerkt, dass er einfach nur sturzbetrunken war. Sie hatte ihn sanft an der Schulter gerüttelt. »Art?« Verwirrt und desorientiert hatte er die Augen geöffnet.
Nun setzten die beiden Beamten ihn aufrecht hin.
»Nein, ich will schlafen. Lasst mich in Ruhe. Ich will schlafen.«
»Ist das sein Wagen?«
»Ja«, antwortete Coyle.
»Was ist passiert? Wie ist er hergekommen?«
»Er war in einer Bar, ein Stück die Straße hinauf. Aber er hat dort nichts bekommen, weil er schon betrunken war. Also ist er wieder abgezogen. Kurz danach kam ich in den Laden, um mir Zigaretten zu kaufen. Der Barmann weiß, dass ich Polizist bin, und hat mir von ihm erzählt. Ich wollte nicht, dass er losfährt und sich oder jemand anders umbringt. Hier hab ich ihn dann gefunden, wie er noch halb aus dem Wagen hing. Er hatte Ihre Visitenkarte in der Tasche.«
Art Snyder bewegte sich ein wenig. »Lasst mich in Ruhe.« Er schloss die Augen.
Amelia sah Coyle an. »Ich kümmere mich um ihn.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja. Wenn Sie vielleicht noch so nett wären, ein Taxi ranzuwinken und herzuschicken...«
»Mach ich.«
Der Cop stieg aus und ging weg. Sachs beugte sich vor und berührte Snyders Arm. »Art?«
Er öffnete die Augen und sah sie argwöhnisch an. Dann erkannte er sie. »Sie...«
»Art, wir bringen Sie jetzt nach Hause.«
»Lassen Sie mich in Ruhe. Lassen Sie mich, verdammt noch mal, in Ruhe.«
Er war offenbar gestürzt, denn er hatte einen Kratzer an der Stirn, und einer seiner Ärmel war eingerissen. Und er hatte sich vor Kurzem übergeben.
»Haben Sie noch nicht genug angerichtet?«, herrschte er Amelia an. »Verfluchte Scheiße, haben Sie mir noch nicht genug angetan?« Seine Augen traten hervor. »Gehen Sie weg. Ich will allein sein. Lassen Sie mich in Ruhe!« Er sackte auf die Knie und wollte auf den Fahrersitz kriechen. »Gehen Sie... weg!«
Sachs zog ihn zurück. Er war kein kleiner Mann, aber der Alkohol hatte ihn geschwächt. Er wollte aufstehen, fiel jedoch auf die Sitzbank zurück.
»Sie haben ganz schön zugeschlagen.« Sachs nickte in Richtung einer leeren Halbliterflasche Whiskey, die am Boden lag.
»Was geht Sie das an? Was, zum Teufel, geht Sie das an?«
»Was ist passiert?«, ließ sie nicht locker.
»Kapieren Sie es denn nicht? Sie sind passiert. Sie .«
»Ich?«
»Wie konnte ich nur glauben, man würde nichts bemerken? Im Department gibt es keine Geheimnisse. Ich stelle für Sie ein paar Fragen nach dieser beschissenen Akte und was aus ihr geworden ist... und als Nächstes... Hab ich Ihnen von meinem Kumpel erzählt, mit dem ich Billard spielen wollte? Er ist nicht aufgetaucht. Und ruft nicht zurück...« Er wischte sich den Mund am Ärmel ab. »Dann kriege ich einen Anruf – dieser Kerl war drei Jahre lang mein Partner, er und ich und unsere Frauen wollten zusammen eine Kreuzfahrt unternehmen. Und nun raten Sie mal, wer leider absagen muss?... Alles nur, weil ich Fragen gestellt habe. Ein pensionierter Cop, der Fragen stellt... Als Sie an meiner Tür geklingelt haben, hätte ich Sie von vornherein zum Teufel jagen sollen.«
»Art, ich...«
»Oh, keine Angst, Lady. Ich hab Ihren Namen nicht erwähnt. Ich hab gar nichts erwähnt.« Er hob die Flasche auf, sah, dass sie leer war, und warf sie wieder hin.
»Hören Sie, ich kenne einen guten Therapeuten. Sie können...«
»Einen Therapeuten? Und was soll er therapieren ? Mein verpfuschtes Leben?«
Sie sah zu der Flasche. »Sie sind gestrauchelt. Jeder strauchelt.«
»Ich rede von was anderem. Das hier ist geschehen, weil ich alles verpfuscht habe.«
»Was meinen Sie, Art?«
»Weil ich ein Cop war. Ich habe alles weggeworfen. Ich habe mein Leben verschwendet.«
Amelia erschauderte, denn seine Worte gaben wieder, was sie selbst empfand. Er brachte genau den Grund zum Ausdruck, aus dem sie die Polizei verlassen wollte. »Art, möchten Sie nicht langsam nach Hause?«
»Ich hätte hundert andere Sachen tun können. Mein Bruder ist Klempner. Meine Schwester hat studiert und arbeitet für eine Werbeagentur. Sie hat diesen Schmetterlingswerbespot für diese Frauendinger gemacht. Sie ist berühmt. Ich hätte was bewirken können.«
»Sie fühlen sich bloß...«
»Stopp!« Er zeigte mit ausgestrecktem Finger auf sie. »Sie kennen mich nicht gut genug, um so mit mir reden zu dürfen. Dazu haben Sie kein Recht.«
Sachs verstummte. Richtig. Sie hatte nicht das Recht
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