Gehetzte Uhrmacher
dazu.
»Was auch immer aus der Sache wird, die Sie untersuchen, ich bin erledigt. Gut oder schlecht, ich bin am Arsch.«
Sein Zorn und Schmerz gingen ihr nahe. Sie legte ihm einen Arm um die Schultern. »Art, hören Sie...«
»Nehmen Sie die Hände weg.« Sein Kopf kippte gegen das Fenster.
Gleich darauf kam Coyle mit einem Taxi zurück. Gemeinsam mit Sachs verfrachtete er Snyder auf die Rückbank des Wagens. Amelia nannte dem Fahrer Snyders Adresse, leerte ihre Brieftasche und gab ihm sowohl die knapp fünfzig Dollar als auch den Wagenschlüssel des Detectives. »Ich rufe seine Frau an und gebe Bescheid, dass er kommt«, sagte sie dem Fahrer. Das Taxi reihte sich in den dichten Verkehr von Midtown ein.
»Danke«, sagte sie zu Coyle. Er nickte nur und ging weg. Sie war froh, dass er keine Fragen stellte.
Nachdem er gegangen war, griff Sachs in die Tasche und holte Snyders Pistole hervor, die sie ihm während der Umarmung aus dem Gürtelholster gezogen hatte. Vielleicht besaß er zu Hause noch eine zweite Waffe, aber mit dieser hier würde er sich jedenfalls nicht mehr umbringen können. Sie entfernte die Patronen, steckte sie ein und verbarg die Pistole in der Federung des Beifahrersitzes. Dann drückte sie alle Verriegelungsknöpfe herunter, schloss sämtliche Türen und kehrte zu ihrem eigenen Wagen zurück.
Ihr Zeigefinger kratzte an ihrem Daumen herum. Ihre Haut juckte. Und ihre Wut kochte hoch, als ihr klar wurde, dass Leute wie ihr Vater – und alle korrupten Polizisten – neben den Erpressungen und der Unterschlagung von Beweisen ein noch umfassenderes Verbrechen begingen. Schon der simple Versuch, zur Wahrheit vorzudringen, hatte sich in etwas Hartes und Gefährliches verwandelt, von dem sogar Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen wurden. Snyders zukünftiges Leben als Ruheständler, auf das er sich viele Jahre lang gefreut hatte, löste sich in nichts auf. Alles nur wegen der Vorfälle im Hundertachtzehnten Revier.
Auch die Familien der verurteilten Mitglieder des Sechzehnte-Avenue-Clubs
hatten für die Taten von Amelias Vater und dessen Freunden bitter bezahlen müssen. Frauen und Kinder waren gezwungen gewesen, ihre Häuser den Banken zu überlassen und die Schule abzubrechen, um sich Arbeit zu suchen; sie wurden geächtet, und der Skandal würde für sie ein ewiger Schandfleck bleiben.
Sachs war noch jung genug, um den Absprung zu schaffen – den Dienst zu quittieren und etwas anderes anzufangen. Sie konnte für Argyle Security arbeiten, den ganzen Mist und die Machenschaften hinter sich lassen und sich ein neues Leben aufbauen. Sie war noch jung genug. Doch für Art Snyder war es zu spät.
Warum, Dad? Warum hast du das getan?
Amelia Sachs würde es niemals erfahren.
Die Zeit war weitergelaufen und hatte ihr jede Chance genommen, eine Antwort auf diese Frage zu finden.
Amelia konnte nur spekulieren, und der Preis dafür war eine seelische Verletzung, die sich unheilbar anfühlte.
Ließ die Uhr sich denn nicht zurückdrehen? Doch das war natürlich bloß eine rhetorische Frage.
Tony Parsons saß Kathryn Dance in einem Imbiss gegenüber. Neben ihnen stand sein Karren mit den Einkäufen.
Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Ich versuche mich zu erinnern, aber mir fällt beim besten Willen nichts mehr ein.« Er grinste. »Da haben Sie wohl Ihr Geld zum Fenster hinausgeworfen.« Er hob seine Kaffeetasse.
»Ach, wir lassen es einfach darauf ankommen.« Dance wusste, dass er noch über andere Informationen verfügte. Sie vermutete, dass er zunächst ohne langes Nachdenken geantwortet hatte – und impulsive Gesprächspartner sind bei professionellen Fragestellern ganz besonders beliebt. Dann war ihm bewusst geworden, dass der Mann, den er gesehen hatte, ein Mörder sein könnte, vielleicht sogar derjenige, der tags zuvor diese schrecklichen Verbrechen am Pier und in der Gasse verübt hatte. Dance wusste, dass Leute, die mit Freuden über untreue Nachbarn und langfingerige Teenager herziehen, umso vergesslicher werden, je schwerer die Straftat ausfällt.
Dieser Mann mochte sich als harte Nuss erweisen, aber das störte Dance nicht. Sie liebte Herausforderungen (die Freude, die
sie oft empfand, wenn ein Verdächtiger endlich ein Geständnis ablegte, wurde stets durch den Gedanken gedämpft, dass die Unterschrift unter seiner Aussage das Ende eines weiteren verbalen Gefechts bedeutete).
Sie goss sich Milch in den Kaffee und schaute sehnsüchtig zu einem Stück
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