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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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alles, was er hier erzählt, vollständig gelogen ist.«
     
    In Rhymes Haus herrschte Stille.
    Absolute Stille.
    Schließlich blickte Rhyme von dem Bildschirm mit Gerald Duncans reglosem Abbild auf. »Bitte fahren Sie fort.«
    »Ich konnte mir einen grundlegenden Eindruck von ihm verschaffen, als er die Details seines Plans zur Überführung Bakers erwähnt hat. Wir wissen, dass einige dieser Aspekte der Wahrheit entsprechen. Sobald er also gewisse Stressreaktionen aufweist, gehe ich von einer Irreführung aus. Mir sind bedeutende Abweichungen aufgefallen, wenn er von dem vermeintlichen Freund erzählt. Und ich glaube auch nicht, dass er Duncan heißt. Oder im Mittelwesten wohnt. Ach, und Dennis Baker ist ihm völlig egal. Er ist emotional in keiner Weise an der Verhaftung des Mannes beteiligt. Und da ist noch etwas.«
    Sie sah auf den Monitor. »Können wir uns noch einmal die Mitte ansehen? Da ist eine Stelle, wo er sich an die Wange fasst.«
    Cooper ließ die Aufnahme rückwärts ablaufen.
    »Da. Spielen Sie das bitte ab.«
    Ich könnte nie jemandem ein Haar krümmen. Ich wäre dazu
nicht in der Lage. Womöglich lege ich die Gesetze ein wenig großzügig aus...
    Dance schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
    »Was ist?«, fragte Sachs.
    »Seine Augen...«, flüsterte Dance. »Oh, das ist nicht gut.«
    »Wieso?«
    »Ich halte ihn für gefährlich, sehr gefährlich. Ich habe Monate damit zugebracht, die Verhöraufnahmen des Serienmörders Ted Bundy zu analysieren. Er war ein Soziopath bis ins Mark, das heißt, er konnte lügen, und man merkte es ihm so gut wie überhaupt nicht an. Eines aber ist mir bei Bundy aufgefallen: eine schwache Reaktion der Augen, wenn er behauptete, er habe noch nie jemanden getötet. Das war ein typisches Zeichen für eine Irreführung; es zeugte von Enttäuschung und Verrat. Er leugnete etwas, das ein zentraler Bestandteil seines Wesens war.« Sie deutete auf den Bildschirm. »Genau das Gleiche macht Duncan auch.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte Sachs.
    »Nicht hundertprozentig, nein. Aber ich glaube, wir müssen ihm noch einige Fragen stellen.«
    »Was auch immer mit ihm sein mag, wir sollten ihn lieber in eine Hochsicherheitszelle verlegen lassen, bis wir es genau wissen.«
    Da Gerald Duncan nur wegen kleinerer, gewaltloser Vergehen festgenommen worden war, würde er in einer schlichten Großraumzelle in der Centre Street sitzen. Eine Flucht von dort war unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Rhyme ließ sein Telefon eine Verbindung zum leitenden Aufseher des Untersuchungsgefängnisses in Downtown herstellen.
    Er nannte seinen Namen und wies den Mann an, Duncan in eine sicherere Zelle zu verlegen.
    Der Aufseher sagte nichts. Rhyme vermutete, dass er von einem Zivilisten keine Befehle entgegennehmen wollte.
    Dieses ewige Zuständigkeitsgerangel...
    Er verzog das Gesicht und sah zu Sachs, damit sie die Verlegung autorisieren würde. Dann aber teilte der Aufseher ihnen den wahren Grund für sein Schweigen mit. »Tja, Detective Rhyme«, sagte der Mann verunsichert. »Er war nur ein paar Minuten hier. Wir haben nicht mal die Aufnahmeformalitäten erledigt.«

    »Was?«
    »Der Staatsanwalt hat mit Duncan irgendeine Vereinbarung getroffen und ihn noch gestern Abend auf freien Fuß gesetzt. Ich dachte, Sie wüssten das.«

... Fünfunddreißig

    Lon Sellitto war zurück in Rhymes Labor und lief wütend auf und ab.
    Wie es aussah, hatte Duncans Anwalt sich mit dem stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt getroffen. Im Gegenzug für ein beeidigtes Schuldeingeständnis, die Zahlung von einhunderttausend Dollar wegen Irreführung von Polizei und Feuerwehr sowie die schriftliche Zusicherung, gegen Baker auszusagen, waren alle Anklagepunkte fallen gelassen worden, vorbehaltlich der Wiedereinsetzung, falls Duncan nicht persönlich vor Gericht als Zeuge gegen Baker auftrat. Man hatte ihm weder Fingerabdrücke abgenommen noch ihn fotografiert oder anderweitig registriert.
    Der massige zerknitterte Detective starrte finster das Telefon mit der Freisprechanlage an und stemmte die Hände in die Seiten, als wäre das Gerät der unfähige Narr, der einen potenziellen Mörder freigelassen hatte.
    Man konnte dem Staatsanwalt anhören, dass er sich zu Unrecht angegriffen fühlte. »Es war die einzige Möglichkeit, ihn zur Zusammenarbeit zu bewegen«, sagte der Mann. »Er wurde von einem Anwalt der Kanzlei Reed und Prince vertreten. Er hat seinen Reisepass hinterlegt. Es war alles in Ordnung. Er hat eingewilligt, bis

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