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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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einen verdrießlich dreinblickenden, mit Handschellen gefesselten Gefangenen ins Zimmer. Ari Cobb war Mitte dreißig, von schmächtiger Statur und sah wie ein normaler Geschäftsmann aus. Er trug einen hübschen Mantel, vermutlich Kaschmir. Die Flecke darauf schienen von Schneematsch zu stammen und waren wohl im Zuge der Festnahme entstanden.
    »Lassen Sie hören«, forderte Sellitto ihn barsch auf.
    »Wie ich ihr « – er nickte kühl in Sachs’ Richtung – »schon gesagt habe, bin ich einfach nur gestern Abend die Cedar Street entlang
zur U-Bahn gegangen und habe unterwegs mein Geld verloren. Da drüben liegt es übrigens.« Er zeigte auf die Banknoten und die Geldklammer. »Heute Morgen habe ich den Verlust bemerkt und wollte nach dem Geld suchen. Als ich die Polizei sah, da... Keine Ahnung, ich wollte eben nicht in die Sache verwickelt werden. Ich bin Börsenmakler. Manche meiner Kunden legen keinerlei Wert auf öffentliches Interesse. Es könnte meinem Geschäft schaden.« Erst jetzt schien der Mann zu bemerken, dass Rhyme in einem Rollstuhl saß. Er wirkte für einen Moment erstaunt, fing sich sofort und setzte wieder seine entrüstete Miene auf.
    Eine Untersuchung seiner Kleidung förderte weder den feinkörnigen Sand noch Blut oder andere Spuren zutage, die ihn mit den Morden in Verbindung gebracht hätten. Genau wie Sachs bezweifelte auch Rhyme, dass dieser Mann der Uhrmacher war, aber in Anbetracht der Schwere der Verbrechen wollte er auf Nummer sicher gehen. »Nehmt seine Fingerabdrücke«, befahl Rhyme.
    Cooper folgte der Anweisung und fand heraus, dass die Abdrücke denen auf der Geldklammer entsprachen. Auf Cobb war kein Auto zugelassen, und laut Auskunft seiner Kreditkartenunternehmen hatte er in letzter Zeit auch keines gemietet.
    »Wann haben Sie das Geld verloren?«, fragte Sellitto.
    Cobb erklärte, er habe am Vortag gegen neunzehn Uhr dreißig das Büro verlassen und sich mit Freunden in einer Bar getroffen. Ungefähr um einundzwanzig Uhr sei er dann in Richtung U-Bahn aufgebrochen. Er wisse noch, dass er auf der Cedar Street seine Fahrkarte aus der Tasche genommen habe, und dabei müsse ihm das Geld wohl heruntergefallen sein. Er sei bis zur U-Bahn-Station weitergegangen und nach Hause gefahren, zur Upper East Side. Da seine Frau sich auf einer Geschäftsreise befinde, habe er gegen einundzwanzig Uhr fünfundvierzig ein Restaurant in der Nähe seiner Wohnung aufgesucht und dort allein zu Abend gegessen. Um etwa dreiundzwanzig Uhr sei er dann zu Hause eingetroffen.
    Sellitto erledigte ein paar Anrufe, um die Geschichte zu überprüfen. Der Nachtwächter in Cobbs Bürogebäude bestätigte, er habe ihn um neunzehn Uhr dreißig hinausgehen gesehen, und ein Kreditkartenbeleg bewies, dass er sich gegen einundzwanzig Uhr in einer Bar an der Water Street aufgehalten hatte. In seinem Wohnhaus hatten sowohl der Portier als auch ein Nachbar gesehen, dass er zur
angegebenen Zeit in sein Apartment zurückgekehrt war. Er schien unmöglich in der Lage gewesen zu sein, zwei Opfer zu entführen, eines davon am Pier zu ermorden und dann den Tod von Theodore Adams in der Gasse zu arrangieren, alles zwischen einundzwanzig Uhr fünfzehn und dreiundzwanzig Uhr.
    »Wir ermitteln hier in einem sehr schweren Verbrechen«, sagte Sellitto. »Es wurde an einem Ort verübt, in dessen unmittelbarer Nähe Sie gestern Abend gewesen sind. Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, das für uns von Bedeutung sein könnte?«
    »Nein, nicht das Geringste. Andernfalls würde ich Ihnen helfen, ich schwöre.«
    »Wissen Sie, der Täter schlägt vielleicht noch mal zu.«
    »Das tut mir leid«, sagte er und klang dabei ziemlich ungerührt. »Aber ich bin in Panik geraten. Das ist keine Straftat.«
    Sellitto wandte sich an die beiden Wachen. »Bitte bringen Sie ihn kurz hinaus.«
    »Reine Zeitverschwendung«, murmelte Baker, nachdem Cobb den Raum verlassen hatte.
    Amelia schüttelte den Kopf. »Er weiß etwas. Ich hab da so ein Gefühl.«
    Wenn es um das ging, was Rhyme – mit einiger Herablassung – als die »menschlichen« Aspekte des Polizeiberufs bezeichnete – also um Zeugen, Psychologie und, Gott behüte, Ahnungen -, überließ er gern Sachs den Vortritt.
    »Okay«, sagte er. »Aber was fangen wir mit deinem Gefühl an?«
    Nicht Sachs reagierte darauf, sondern Lon Sellitto. »Ich hab eine Idee«, sagte er, öffnete sein Jackett, unter dem ein unglaublich zerknittertes Hemd zum Vorschein kam, und zog sein Mobiltelefon aus der

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