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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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zögerte kurz. »Nein, in New Jersey.«
    »Aber du arbeitest in der Stadt.«
    »Ja.«
    »Kennst du dich in Manhattan aus?«
    »Ja, ziemlich gut sogar.«
    Der Mann nickte und musterte Vincent von Kopf bis Fuß. Er sagte, sein Name sei Gerald Duncan, und schlug vor, sie sollten sich irgendein warmes Plätzchen suchen, um zu reden. Sie gingen drei Blocks weit zu einem anderen Imbiss. Duncan bestellte sich einen Kaffee, und Vincent genehmigte sich noch ein Stück Kuchen und eine Limonade.
    Dann unterhielten sie sich über das Wetter, den Haushalt der Stadt und Downtown bei Mitternacht.
    »Ich möchte dir etwas vorschlagen, Vincent«, sagte Duncan schließlich. »Falls du Interesse an einer kleinen Nebenbeschäftigung hast... Ich könnte jemanden brauchen, der sich nicht allzu sehr um die Gesetze schert. Und ich könnte dir vielleicht ermöglichen, dein... Hobby auszuüben.« Er nickte in Richtung der Gasse.
    »Sitcoms aus den Siebzigern zu sammeln?«, fragte der clevere Vincent.
    Duncan lächelte erneut, und Vincent kam zu dem Schluss, dass er den Mann mochte.
    »Was soll ich für Sie tun?«
    »Ich bin erst ein paarmal in New York gewesen. Ich benötige jemanden, der die Straßen hier kennt, die U-Bahnen, die Verkehrswege,
die einzelnen Stadtviertel... und die Vorgehensweise der Polizei. Die Einzelheiten erfährst du später.«
    Hmm .
    »In welcher Branche arbeiten Sie?«, fragte Vincent.
    »Ich bin Geschäftsmann. Belassen wir es vorerst dabei.«
    Hmm .
    Etwas in Vincent riet ihm, er solle gehen. Aber die Bemerkung des Mannes über sein Hobby war verlockend. Alles, was zur Stillung des Hungers beitragen konnte, schien es wert, in Betracht gezogen zu werden, auch wenn ein Risiko damit verbunden sein mochte. Sie redeten noch eine halbe Stunde weiter, gaben manches preis, hielten anderes zurück. Duncan erklärte, sein Hobby sei das Sammeln und Restaurieren alter Uhren. Einige habe er sogar vollständig selbst gebaut.
    »Woher haben Sie gewusst, dass die Frau ein Cop war?«, fragte Vincent, nachdem er den vierten Nachtisch dieses Tages verspeist hatte.
    Duncan schien kurz zu überlegen. »Ich habe mich für jemanden dort in dem Imbiss interessiert«, sagte er dann. »Erinnerst du dich an den Mann am Ende des Tresens? Er hat einen dunklen Anzug getragen.«
    Vincent nickte.
    »Ich folge ihm schon seit einem Monat. Ich werde ihn töten.«
    Vincent lächelte. »Sie machen Scherze.«
    »Ich scherze nie.«
    Und Vincent lernte, dass das der Wahrheit entsprach. Es gab keinen cleveren Gerald. Und auch keinen hungrigen Gerald. Es gab nur den einen, den ruhigen und gewissenhaften Gerald, der an jenem Abend seine Absicht, den Mann aus dem Imbiss zu töten – Walter irgendwas -, auf genau die gleiche sachliche Weise kundgetan hatte, mit der er später bei der Ausführung des Plans vorgegangen war: Er hatte dem Kerl die Handgelenke aufgeschlitzt und dann seelenruhig dabei zugesehen, wie der Mann sich verzweifelt festklammerte und letztlich vom Pier in das eiskalte braune Wasser des Hudson River stürzte.
    An jenem ersten Abend hatte der Uhrmacher hinzugefügt, er wolle hier in der Stadt noch weitere Leute ermorden. Darunter seien auch ein paar Frauen. Solange Vincent die erforderliche Vorsicht
walten lasse und nicht mehr als zwanzig oder dreißig Minuten benötige, könne er sich nach dem Tod der Opfer nach Belieben mit den Leichen vergnügen. Im Gegenzug würde er Gerald behilflich sein – als Stadtführer, der die Straßen und öffentlichen Verkehrsmittel kannte, als Aufpasser, der Wache stand, und manchmal auch als Fahrer des Fluchtwagens.
    »Also. Bist du interessiert?«
    »Klingt nicht schlecht«, hatte Vincent gesagt und still gejubelt. Nun ging Vincent seiner neuen Beschäftigung nach und folgte Joanne Harper, dem dritten Opfer. Der clevere Vincent hatte sie Blumenmädchen getauft. Er sah, wie sie einen Schlüssel aus der Tasche zog und durch den Hintereingang ihre Werkstatt betrat. Er blieb stehen, aß einen Schokoriegel und lehnte sich gegen einen Laternenpfahl.
    Seine Hand legte sich auf die Wölbung am Hosenbund, wo das Jagdmesser steckte. Hinter dem dreckigen Fenster des Ladens schaltete Joanne das Licht an, zog den Mantel aus und ging umher. Sie war allein.
    Er packte das Messer.
    Ob sie wohl Sommersprossen hatte? Wie mochte ihr Parfum riechen? Er fragte sich, ob sie wimmerte, wenn sie Schmerzen hatte. Ob sie …
    Aber nein, er durfte sich nicht solchen Gedanken hingeben! Noch nicht! Er war nur hier, um Informationen zu

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