Gehirnfluesterer
dazugehört«, antwortete er, ohne zu zögern.
Ein Freund von ihm schließt sich uns an. Jung, schön und HIV-positiv. Ich stelle ihm dieselbe Frage. Er lächelt.
»Es ist ein Zeichen von Bindung«, sagt er, »von Solidarität. Es wendet etwas Negatives ins Positive. Es ist wie ein Tattoo,
das man unter der Haut trägt. Ein immunologisches Tattoo.«
Zusammenfassung
In diesem Kapitel haben wir die Schlüsselreize der Beeinflussung betrachtet, indem wir die Grenze hin zum Unbewussten überschritten
haben. Wir haben die Territorien der Wahrnehmung und der sozialen Anerkennung erkundet. Wir haben entdeckt, dass unsere neuronale
Spitzenausstattung keineswegs solche instinktiven, raschen Antworten ausschließt, wie wir sie aus dem Tierreich kennen. Das
Bewusstsein ist nützlich, aber es ist auch langsam. Manchmal zu langsam für unser Leben. Um diese Kluft zu überbrücken, verlässt
sich das Gehirn auf Heuristik – auf Daumenregeln, die aus vorangegangenen Erfahrungen destilliert wurden, und aus erworbenen
Verbindungen zwischen bereits erlebten Reizen. Käme das Bewusstsein auf Rädern daher, es hätte gewiss achtzehn davon. Und
einen sehr breiten Kühlergrill. Nicht die beste Ausstattung, um rasch durch die Stadt zu kommen. Wir haben uns angehört, was
ein genialer, psychopathischer Trickbetrüger über sein Geschäft zu sagenwusste, und dabei die drei Abschnitte des kognitiven Prozesses der Beeinflussung kennengelernt: Aufmerksamkeit, Annäherung
und Anbindung. In allen drei Abschnitten haben wir gesehen, wie rasch das Gehirn ausgeschaltet werden kann. Das läuft nicht
anders ab als bei den fixen Verhaltensmustern im Tierreich. Wir haben auch gesehen, wie man mit einigen simplen Techniken
der Beeinflussung das impulsive Gehirn für die eigenen Zwecke einspannen kann. Und dass uns diese Techniken, wenn sie von
genialen Überzeugern angewendet werden, eine Menge kosten können.
Im nächsten Kapitel erweitern wir den Lichtkegel unserer Suchlampe. Bisher haben wir uns mit Beeinflussung als Schwarzer Magie
befasst. Jetzt wenden wir uns der Weißen Magie zu, wir beobachten Anwälte, Werbeleute, Verkäufer und Politiker, die grundsätzlich
eher mit uns als gegen uns arbeiten sollten, dabei, wie sie unsere neuronalen Codes knacken. Das ist leichter, als man denkt.
Der Sicherheitsdienst des Gehirns ist nicht besonders gut. Wenn man weiß, wie man das macht, dann hat man sich in null Komma
nichts Zugang zu unseren Gedanken verschafft.
Doch zuvor wollte ich Ihnen ja noch demonstrieren, wie manipulierbar wir sind, wenn unsere Aufmerksamkeit abgelenkt ist.
Gedächtnistest
Schauen Sie sich zehn Sekunden lang diese Wörter an. Nach den zehn Sekunden blättern Sie zur nächsten Seite und beantworten
die Frage, die da steht. Dann blättern Sie zurück und lesen hier weiter.
SAUER KANDIS ZUCKER BITTER GUT GESCHMACK HONIG LIMONADE ZAHN LECKER ZUCKERERBSE SCHOKOLADE KUCHEN SAHNEHÄUBCHEN TORTE APFELTASCHE
Blättern Sie jetzt vor dem Weiterlesen auf die nächste Seite!
Die Liste umfasst insgesamt fünfzehn Wörter. Zwölf oder mehr erinnerte Wörter sind ausgezeichnet; acht bis elf gut; fünf bis
acht durchschnittlich. Aber darum geht es hier ja gar nicht. Beantworten Sie bitte die Frage von Seite 126.
*****
O.K. BUMERANG stimmt. Aber hatten Sie auch das Wort SÜSS auf Ihrer Liste? Mal ehrlich! Wenn nicht, dann geht es Ihnen wie den meisten
anderen Leuten. Lesen Sie die Liste noch einmal. Das Wort ist nicht dabei. Aber was fällt Ihnen auf? Richtig: Jedes der Wörter
auf der Liste ist irgendwie mit dem Wort SÜSS verbunden – und sei es als Gegensatz wie BITTER oder SAUER. Was hat Sie also veranlasst, dieses Wort in Ihre Liste aufzunehmen? Das Gehirn gibt der Welt um uns gerne eine Ordnung, um
die Dinge angenehm und einfach zu machen. Tauchen irgendwo Lücken auf, werden sie geschlossen. Dann haben wir ein gutes Gefühl.
Ihr Gehirn hat gezockt und verloren. Aber in diesem Fall hat es ja glücklicherweise keinen großen Schaden angerichtet.
Schreiben Sie auf, welche der folgenden vier Wörter NICHT in der Liste erscheinen?
ZUCKER, GESCHMACK, SÜSS, BUMERANG
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Großmeister der Verführung
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