Gehirnfluesterer
ausgebuht, Clinton dagegen bejubelt wurde. Manchmal, so scheint es, hängt die Art
und Weise, wie wir andere betrachten, von nichts anderem ab als davon, wie
andere
sie sehen.
Pfund für Pfund
Die Wissenschaft von der Beeinflussung spricht in solchen Fällen auch von sozialer Bestätigung oder Rückversicherung (
social proof
). Keith Barrett würde hier vom Virus der Anbindung sprechen. Das Phänomen zeigt sich in sozial mehrdeutigen Situationen,
wenn man nicht weiß, wie man sich verhalten soll. Das kennen wir alle. Ein klassisches Beispiel ist die erste große Einladung
zum Abendessen: ein festlich gedeckter Tisch mit üppig aufgelegtemBesteck, dessen verwirrende Vielfalt uns an einen Operationssaal erinnert. Was nehmen wir zuerst, wo ist das Buttermesser,
wofür diese Zange, was soll das Ding mit dem Haken, welches Messer ist für den Fisch etc.? Also sehen wir uns um: Was tut
der Tischnachbar, die Nachbarin? Wir unterstellen, dass sie es wissen müssen, beobachten sie verstohlen aus den Augenwinkeln
und folgen schließlich ihrem Vorbild. Dabei könnten wir glatt übersehen haben, wie unser weltläufiger Nachbar Augenblicke
zuvor heimlich uns beobachtet hat.
Vor nicht allzu langer Zeit konnte man im amerikanischen Fernsehen verfolgen, wie mächtig die Suche nach sozialer Rückversicherung
ist. Colleen Szot, eine Autorin für Werbesendungen, stellte allein dadurch, dass sie eine kleine Veränderung an einer allseits
bekannten Ansage vornahm, alle bisherigen Verkaufsrekorde von Shopping-Kanälen in den Schatten. Den Sender gab es schon fast
zwanzig Jahre. Natürlich bot er alle üblichen Marketingutensilien auf: Testimonials irgendwelcher Berühmtheiten, fetzige Musik,
eingängige Jingles, ein Studiopublikum, dessen Augen glänzten. Aber nichts davon hatte die Verkaufszahlen explodieren lassen.
Ganz im Gegenteil, sie waren gesunken.
Was hatte die neue Autorin getan? Statt des üblichen »Alle Leitungen sind frei, bitte rufen Sie an« sagte Szot: »Wenn unsere
Leitungen besetzt sein sollten, rufen Sie bitte später noch mal an.« Eine auf den ersten Blick katastrophale Ansage. Wie konnte
die Ankündigung von Unbequemlichkeiten – das Kreisen in der Warteschleife, das ständige neue Wählen der Nummer – die Verkaufszahlen
steigern? Mit Logik hat das alles nichts zu tun. Es geht um den Zauber der sozialen Rückversicherung.
Überlegen Sie selbst! Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie den Satz »Alle Leitungen sind frei« hören? Ein Raum, in dem gelangweilte
Mitarbeiter des Callcenters Löcher in die Luft starren? Dann kann das Produkt, das gerade so aufwendig beworben wird, ja nicht
viel taugen. Kleine Nachfrage, geringer Umsatz. Und warum sollten Sie etwas kaufen, was niemand anderer haben will? Und was
fällt Ihnen ein, wenn Sie die neue Ansagehören? Alle Leitungen sind besetzt, das Callcenter brummt, die Leitungen, das Personal sind überlastet. Das hört sich schon
besser an. Wenn alle anderen scharf auf das Produkt sind, dann zum Teufel darf man das selber auch nicht verpassen.
Nach demselben Prinzip funktioniert es bei eBay. Die Analyse von Online-Auktionen hat einige grundsätzliche, tiefgreifende
und total verrückte Erkenntnisse über Verbraucherverhalten ans Licht gebracht: Wenn du den Rembrandt, den du auf dem Speicher
gefunden hast, verhökern willst, dann fang mit zehn Dollar an. Die Psychologie dahinter ist recht einfach. Je niedriger der
Einstiegspreis, desto größer die Anzahl der Leute, die mitbieten. Dadurch wird das angebotene Produkt noch erstrebenswerter.
Und es zieht weitere Bieter an, die mit jedem Gebot nicht nur ihre finanzielle, sondern auch ihre emotionale Investition erhöhen.
Ein Freund von mir, der über Entscheidungsprozesse lehrt, sich also damit befasst, wie in einer unsicheren Situation schwierige
Entscheidungen getroffen werden, zeigt dies in seiner Vorlesung, nicht mit einem Rembrandt, sondern mit einer Pfundmünze.
Jedes Jahr zu Beginn des Wintersemesters steht er in einem Hörsaal voller Erstsemester und verkündet, dass er ein Pfund verauktionieren
will. Für die Auktion gelten zwei simple Regeln. Wer das höchste Angebot macht, bekommt das Objekt – wie bei jeder Auktion.
Kein Problem. Die zweite Regel lautet, dass die Person, die das nächsthöhere Angebot macht, diese Summe zugunsten des Auktionators
einbüßt. Auch kein Problem – solange man gewinnt.
Mein Freund macht diese Ein-Pfund-Auktion seit einigen
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