Gehirnfluesterer
überprüfen. Es gab drei Werbespots: Perots Werdegang, eine Rede und schließlich
Aussagen ausgesuchter Leute zu seiner Person. Als Luntz die Werbespots in dieser Reihenfolge abspielte – Biografie, Rede,
Testimonials –, stellte er fest, dass Perots Popularitätswerte in der Fokusgruppe den allgemeinen Meinungsumfragen genau entsprachen. Das
ist kein Wunder. Als er die Werbespots jedoch versehentlich einmal in »falscher« Reihenfolge vorführte – Testimonials, Rede,
Biografie –, passierte etwas Merkwürdiges. Plötzlich sank Perots Beliebtheit in der Fokusgruppe. Seine Ansichten erschienen den Teilnehmern
übertrieben, denn sie standen nun nicht mehr im Zusammenhang mit seiner persönlichen Geschichte, seinem Aufstieg zu Reichtum
und Macht. Daraus zog Luntz den Schluss: »Die Reihenfolge, in der Informationen präsentiert werden, entscheidet darüber, wie
die Leute denken.«
Ein besonders schönes Beispiel für diesen »Reihenfolgeeffekt« der Beeinflussung hörte ich von meiner Freundin Roz. Deren Mutter
Molly war 85 und nichts war ihr wichtiger als ihre Unabhängigkeit. Stets sträubte sie sich gegen den Gedanken, sichdass es ihr mittlerweile schwerfiel, sich morgens anzuziehen, und auch ihr Gedächtnis nicht mehr so funktionierte wie früher.
Unzählige Male hat Roz versucht, ihre Mutter zur Vernunft zu bringen, sie zu überreden, wenigstens darüber nachzudenken, ob
sie nicht doch Hilfe brauche: »Es würde dir viel besser gehen damit, genauso wie deiner Nachbarin Kay McIntyre.« Aber sämtliche
Bemühungen waren vergeblich.
Eines Tages aber ließ sie, wie Frank Luntz, das Band in der »falschen« Reihenfolge ablaufen. Sagte zunächst ganz beiläufig,
Kay McIntyre wirke viel glücklicher, seit sie den Sozialdienst in Anspruch nehme, und kam
dann
mit dem Vorschlag, ihre Mutter könne das ja auch tun. Jetzt funktionierte es. Plötzlich erschien Molly die Idee gar nicht
mehr so übel. »Es war, als habe sie jemand mit einem Zauberstab berührt«, erzählt Roz. »War sie bis dahin stets total dagegen,
sagte sie nun wie aus heiterem Himmel: ›Hmmh, na ja, ich könnte das ja wenigstens mal ausprobieren. Ein bisschen Hilfe morgens
wäre eigentlich gar nicht schlecht, und wenn es Kay damit besser geht, dann kann es zumindest nichts schaden.‹« Die Geschichte
der Nachbarin Kay war die Grundierung, auf der der Lack der Beeinflussung hielt.
Wir sind leicht zu beeindrucken, lassen uns schnell durch eine gute Geschichte mitreißen, wenn sie nur »richtig« erzählt wird.
Vor Gericht ist die Beurteilung dieser Geschichten, wie Sie sich vorstellen können, von entscheidender Bedeutung. Bitte lesen
Sie das folgende Szenario und beantworten Sie dann die Frage:
John fährt mit siebzig Stundenkilometer, obwohl er nur fünfzig fahren darf, und stößt auf einer Kreuzung mit einem anderen
Auto zusammen. Johns Wagen trifft die Fahrerseite des anderen Autos. Dessen Fahrer wird verletzt, erleidet mehrere Schnittwunden,
ein Schlüsselbein und ein Handgelenk sind gebrochen. John bleibt unverletzt. Er fuhr so schnell, weil er zu Hause ein Geschenk
zum Hochzeitstag seiner Eltern verstecken wollte, das er aus Versehen auf dem Küchentisch hatte liegen lassen. Der Aufprall
wurde noch dadurch verstärkt, dass er, als er auf die Kreuzung zufuhr, auf einer Ölspur ins Rutschen geriet.
Und nun die Frage: Bewerten Sie nach einer Skala von 1 bis 10, ob John an dem Unfall schuld war, wobei 1 »völlig unschuldig«
und 10 »allein und ausschließlich schuldig« bedeutet? Antworten Sie, indem Sie um eine der folgenden Zahlen einen Kreis machen:
Nun schildern Sie den Unfall einem Freund in der folgenden Version und bitten Sie ihn um eine Beurteilung:
John fährt siebzig, obwohl er nur fünfzig fahren darf, und stößt auf einer Kreuzung mit einem anderen Auto zusammen. Johns
Wagen trifft die Fahrerseite des anderen Autos. Dessen Fahrer wird verletzt, erleidet mehrere Schnittwunden, ein Schlüsselbein
und ein Handgelenk sind gebrochen. John bleibt unverletzt. Er fuhr so schnell, weil er zu Hause ein Tütchen Kokain vor seinen
Eltern verstecken wollte, das er aus Versehen auf dem Küchentisch hatte liegen lassen. Der Aufprall wurde noch dadurch verstärkt,
dass er, als er auf die Kreuzung zufuhr, auf einer Ölspur ins Rutschen geriet.
Ich möchte wetten, dass Ihre und die Beurteilung Ihres Freundes voneinander abweichen. Ich würde auch wetten, dass Ihr Freund
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