Gehirnfluesterer
Grad ihrer Unterstützung neu bestimmt.
Hatte die Art, wie die Teilnehmer zu ihren Ansichten gekommen waren, Einfluss darauf, ob sie ihre Meinung während der zweiten
Phase änderten? Gehört der Rahmen (
frame
) ebenso sehr zum Bild wie das Bild selbst?
So war es. Ganz allgemein waren die Studenten, die ihre Präferenz für einen Kandidaten als Opposition zum Gegenkandidaten
zum Ausdruck brachten, die zum Beispiel sagten: »Ich bin gegen Rick«, und nicht: »Ich bin für Chris«, weniger bereit, ihre
Meinung zu ändern, als diejenigen, die ihre Präferenz positiv zum Ausdruck gebracht hatten. Dazu Bizer: »Eine einfache Veränderung
des Framing, die die Leute dazu bringt, ihre Bewertungen unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, wen sie ablehnen, und nicht,
wem sie zustimmen, führt zu stärkeren, unbeirrbareren Ansichten.«
Framing betrifft natürlich nicht nur Emotionen. Es ist vor allem das Virus der Aufmerksamkeit. Stellen Sie einem Freund die
folgende Frage: Wie viele Liter Benzin braucht man, um einen Jumbojet vollzutanken –
mehr als 500 oder weniger?
Stellen Sie einem anderen Freund dieselbe, nur leicht veränderte Frage: Wie viele Liter Benzin braucht man, um einen Jumbojet
vollzutanken –
mehr als 500 000 oder weniger?
Lassen Sie danach beide konkret schätzen, wie viele Liter die Treibstofftanks eines Jumbojets
wirklich
fassen. (Tatsächlich sind es rund 220 000 Liter.) Sie werden aufschlussreiche Antworten erhalten. Der zweite Freund, den Sie gefragt haben: »Mehr als 500 000 Liter oder weniger?«, wird eine höhere Zahl nennen als der erste (dem Sie 500 Liter nannten).
Das hat mit einem Phänomen zu tun, das als Anbindung (
anchoring
) bezeichnet wird. Dabei geschieht Folgendes: Ihre beiden Freunde nutzen die ihnen vorgegebenen Zahlen mehr oder weniger buchstäblich
als Bezugsrahmen, als Ankerpunkte für ihre Schätzungen. Die Zahlen müssen für die Frage weder relevant noch zutreffend sein
(Sie hätten auch fragen können: einen Liter oder eine Million Liter?) – die Zahlen müssen nur genannt werden. Allein dadurch,
dass sie im Raum stehen, beeinflussen sie die jeweiligen Schätzungen.
Im Jahr 2006 lieferte ein Team von deutschen Psychologen, Birte Englich, Fritz Strack und Thomas Mussweiler, einen mustergültigen
Beweis für die Macht der Anbindung – witzigerweise auch mit Hilfe von Juristen. Eine Gruppe erfahrener Richter sollte eine
kurze Falldarstellung lesen. Dabei ging es um einen Mann, der wegen Vergewaltigung vor Gericht stand. Nachdem sich die Richter
mit dem Fall vertraut gemacht hatten, wurden sie in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe sollte sich Folgendes vorstellen:
Das Gericht hat sich zur Beratung zurückgezogen und erhält nun den Anruf eines Journalisten. Dieser stellt folgende Frage:
»Wird die Strafe höher oder niedriger ausfallen als drei Jahre?« Auch der anderen Gruppe wurde das Szenario vorgestellt, nur
ließ man den Journalisten in diesem Fall fragen, ob die Strafe höher oder niedriger ausfallen würde als ein Jahr.
Hatte dieser einfache Zahlenunterschied – drei Jahre oder ein Jahr – eine Auswirkung auf das Strafmaß, für das sich die Richter
dann tatsächlich entschieden? Er hatte. Wie nach der Ankerhypothese zu erwarten, lag das durchschnittliche Strafmaß, das die
Richter in der ersten Gruppe festsetzten, bei 33, in der zweiten Gruppe bei 25 Monaten.
Der Teufel steckt im Detail
Der naheliegendste Bereich, in dem wir ganz sicher auf diesen Ankermechanismus stoßen werden, ist das Marketing. Wir alle
haben beim Einkauf schon einmal um den Preis gefeilscht – und mit einer Zahl begonnen, von der wir wussten, dass wir sie würden
erhöhen müssen. Weniger offensichtlich sind jene raffinierteren Beeinflussungsstrategien – Techniken, die wir kaum wahrnehmen –, mit denen unser Gehirn betrogen wird. Nehmen Sie die Preisgestaltung als Beispiel. Warum kostet Ihr Lieblingsrasierwasser
9,95 und nicht glatte 10 Dollar? Chris Janiszewski und Dan Uy von der University of Florida haben sich vor kurzem mit dieser Frage beschäftigt – und
sind zu einem überraschenden Ergebnis gekommen. Es ist nicht einfach nur so, dass »9 bloß billiger zu sein
scheint
als 10« (was die meisten Leute sagen, wenn sie nach solchen Preisen gefragt werden), sondern die Sache liegt komplizierter.
Janiszewski und Uy führten eine Reihe von Experimenten durch, in denen sie die Versuchspersonen baten, sich
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