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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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auf halbem Weg treffen.
    Und wenn das, was ich wirklich wollte, von Anfang an die Erfüllung der kleineren Bitte war, dann habe ich, auf einem Umweg,
     erreicht, was ich wollte. Nicht wahr?
    Mentale Verträge
    Pat Reynolds’ Anwendung des Reziprozitätsprinzips ist – wissenschaftlich betrachtet – fast perfekt. Auch wenn er Mitglied
     der Forschungsgruppe Cialdini & Co. wäre, Mitarbeiter an einem psychologisch exakt geplanten Experiment, hätte er sich nicht
     besser verhalten können. Weil er seinem »Kunden« die harte Verkaufstour erspart – und stattdessen einfühlsam mit der Situation
     des Angerufenen umgeht, der gerade in diesem Augenblick seinen Fernseher einschaltet, um seine Lieblingsserie zu sehen, und
     weil er »rücksichtsvoll«, fast kleinlaut anfragt, ob der Angerufene jemand anderen kenne, der an seinem Angebot interessiert
     wäre   –, kann der »Kunde« nicht umhin, entsprechend zu reagieren: Er wird hilfsbereit sein und einen Namen nennen. Wobei der Angerufene
     bequemerweise (aus der Sicht von Reynolds) übersieht, dass der Anrufer kein netter Mensch, sondern ein Quälgeist ist: Er ruft
     nicht nur ungebeten an, sondern bringt den Angerufenen auch noch dazu, sich während der Werbepause aus seinem Sessel zu erheben
     und sein Adressbuch nach Kontakten zu durchsuchen.
    Damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Reziprozität ist nicht das einzige Annäherungsvirus, mit dem Reynolds seine Kundschaft
     infiziert. Da ist noch ein zweites:
kognitiver Einklang
. Die Frage, ob er später noch einmal anrufen dürfe, ist keineswegs so beiläufig, wie sie klingt, sondern ein uraltes Beeinflussungsmanöver,ein psychologischer Handschlag, ein Auslöser. Denn wenn der Kunde die Erlaubnis zum Rückruf gegeben hat, wird er auch zu seinem
     Wort stehen. Er wird seinen Teil des »Vertrags« erfüllen und pflichtschuldig die Werbetrommel rühren.
    So einfach funktioniert das, so schnell und unbewusst, subkortikal. Experten wissen, dass Reynolds’ Verführungscocktail aus
     Reziprozität und Einklang eine Standardmischung ist. Die beiden wichtigsten Zutaten werden oft zusammengemixt. Reziprozität
     und Einklang lassen sich auf die evolutionären Ursprünge von Arbeitsteilung und die Stärkung des Gruppenzusammenhalts zurückverfolgen.
     Seit Urzeiten erforderten die Jagd, der Transport großer Gegenstände, der Bau von Wohnstätten Teamwork. Nach ihren psychologischen
     Eigenschaften sind Übereinstimmung und Verpflichtung als »Eintrittskarten« in solche geschlossenen Einheiten zu verstehen.
     Sie sind die Attribute, die Verlässlichkeit signalisieren. Sie sorgen dafür, dass wir, unserem Wort getreu, von Anfang an
     bei der gemeinsamen Jagd dabei sind und nicht erst einige Tagesmärsche später auftauchen, wenn die Beute geteilt wird.
    Wie sehr der Wunsch, zuverlässig zu erscheinen, unser Verhalten bestimmen kann, und wie verführerisch jemand wirken kann,
     der es fertigbringt, auf solche alten evolutionären Frequenzen einzuschwingen, ist an einem glänzenden Beispiel für subtile
     Beeinflussung zu sehen, das der Chicagoer Restaurantbesitzer Gordon Sinclair Ende der 1990er-Jahre lieferte. Er hatte Probleme
     mit Leuten, die telefonisch einen Tisch bestellten und dann nicht auftauchten, aber auch nicht absagten. Bis zu dreißig Prozent
     der Reservierungen endeten so. Doch es gelang ihm, die Ausfallquote auf zehn Prozent zu senken.
    Die Lösung des Problems lag, wie Sinclair entdeckte, in dem, was seine Empfangsdame am Telefon sagte. Oder genauer, in dem,
     was sie
nicht
sagte. Wenn sie eine Reservierung entgegennahm, hatte sie bis dahin folgende ANWEISUNG gegeben: »Bitte rufen Sie an, wenn
     sich Ihre Pläne ändern sollten.« Diese Ansage ließ Sinclair leicht verändern, so dass sie wie eine einfache BITTEklang: »Würden Sie bitte anrufen, wenn sich Ihre Pläne ändern sollten?«
    Und dann machte die Empfangsdame eine Pause und wartete auf eine Antwort des Anrufers. Die beiden zusätzlichen Worte zusammen
     mit der außerordentlich wichtigen Pause änderten das Problem von Grund auf.
    Warum? Weil eine Frage eine Antwort verlangt und das Schweigen – wie jedes Schweigen am Telefon – ausgefüllt werden muss.
     Anrufer, die auf die Frage: »Würden Sie bitte anrufen, wenn sich Ihre Pläne ändern sollten?« mit »Ja« antworten, legen sich
     fest und müssen Stellung beziehen. Ihr künftiges Handeln steht nun im Licht einer zuvor eingegangenen Verpflichtung. Damit
     verschiebt sich der Ort

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