Gehirnfluesterer
Fernseher auf Probe
mit nach Hause zu nehmen – »Probieren Sie ihn aus, er wird Ihnen gefallen … damit Sie sehen, ob er zu Ihrer Einrichtung passt.« Selbstverständlich passt er – in elf von zehn Fällen.
Sehen Sie, was hier passiert? Je größer die Zahl der Reifen ist, durch die der Kunde springen muss, desto stärker fühlt er
sich
verpflichtet
, die Kiste zu kaufen. Eine Lieblingsnummer des Gauners, bei dem ich arbeitete, war, den Kunden zu bewegen, alle Arten von
Ausweisen, die er bei sich hatte, herauszurücken und dann, egal wie viele es waren, noch einen weiteren zu verlangen – »die
zunehmenden Sicherheitsbestimmungen, Sie wissen schon.« Diese zusätzliche Erschwernis konnte den Kunden nicht mehr abschrecken,
war er doch durch die großzügigen Bedingungen, die eingangs genannt worden waren, längst heiß gemacht worden. Man konnte ihn
getrost entlassen. Er würde das fehlende Dokument besorgen, ohne zu merken, dass sein freier Wille in dem Augenblick, als
er den Laden verließ, unter die Räder des nun unausweichlichen Ratenvertrags gekommen war.
Natürlich muss an irgendeinem Punkt noch etwas hinzukommen. Der ursprünglich genannte Preis war ein Nettopreis. Ichoder irgendein anderes stümperhaftes Mitglied des Verkaufspersonals hatten »einen Fehler gemacht«, den der Verkaufsleiter
– »Entschuldigen Sie, aber mir sind die Hände gebunden« – nicht durchgehen lassen konnte. Meinen Sie, der geschäftliche Vorgang
wäre dadurch irgendwie gefährdet worden? In den allermeisten Fällen machte dies nun keinen Unterschied mehr. Der Kunde spazierte
auch dann noch mit dem Fernseher unter dem Arm aus dem Laden, wenn der Preis gar kein Spezialangebot mehr war, sondern sogar
höher lag als in anderen Läden des Viertels. Jede Unterschrift, jedes zusätzliche Ausweisdokument, jedes Lächeln, jedes Händeschütteln
hatten das Gerät begehrenswerter gemacht.
Am Ende war der Kunde nur noch von einem Gedanken besessen: Ich will die Kiste unbedingt haben. Er konnte das nicht mehr aus
dem Kopf kriegen.
Mit Worten und ohne Worte
Mary, eine fromme Weltverbesserin und das Klatschweib der Kirchengemeinde, steckte ihre Nase immer in die Angelegenheiten
anderer Leute. Sie war nicht besonders beliebt bei den anderen im Kirchenrat, aber angesehen, und niemand wollte sich mit
ihr anlegen. Eines Tages sah sie das Auto von Bill vor einer Bar stehen und behauptete dann, er habe ein Alkoholproblem. Bei
der nächsten Kirchenratssitzung stellte sie unmissverständlich klar, das sei ja wohl offensichtlich. Wer sein Auto am helllichten
Tag vor einer Bar parke, von dem wisse man doch, was er dort macht. Bill sah sie einen Moment an und ging dann. Er entschuldigte
sich nicht und er bestritt auch nicht, was Mary behauptet hatte. Er sagte nichts. Am Abend parkte er in aller Ruhe sein Auto
vor Marys Haus und ließ es dort die ganze Nacht über stehen.
Sprache hat sich als Mittel der Verständigung entwickelt. Nun, da wir sie haben, sind häufig die Dinge am bedeutsamsten, die
wir
nicht
sagen. Sprache kann, vom Richtigen (besser: vomFalschen) benutzt, durch ein diskret und geschickt platziertes (oder ausgelassenes) Wort einen Riesenunterschied machen. Wie
funktioniert das?
In der amerikanischen Fernsehserie ›The West Wing‹ gab es die folgende Episode: Die Demokraten wollen den republikanischen
Senator und Präsidentschaftskandidaten Arnold Vinick als alten Mann hinstellen, dies aber nicht direkt sagen. Ein offener,
gezielter Angriff auf Vinicks fortgeschrittenes Alter wäre in der Öffentlichkeit nicht gut angekommen und hätte dem Wahlkampf
seines Rivalen Matt Santos geschadet. Was tun?
Die Lösung findet sich in einem kurzen, aber erheiternden Dialog zwischen Lou (Pressesprecher von Santos) und Josh (Stabschef)
aus dem »Wahlkampfteam«. Lou hat was gegen die offensichtliche Ironie des Wortes »rüstig«, denn der Gegenkandidat ist trotz
seines Alters ein sehr agiler Mann. Er will ihn lieber »vital« nennen. »Ungewöhnlich vital«. Denn wer hätte je gehört, dass
jemand unter siebzig vital genannt wird? Damit werden nur alte Leute beschrieben. Lou hat recht. Wenn sie den Gegenkandidaten
vital nennen, dann lenken sie automatisch den Blick auf sein Alter und vermitteln die Botschaft: ein junger Typ gegen einen
alten Typen. Genauso hat Barack Obama im Wahlkampf von 2009 gehandelt, wenn er auf John McCains verdienstvolles »halbes Jahrhundert
in der
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