Gehirnfluesterer
Politik« verwies. Ein trojanisches Pferd, das eine hinterlistige Herabsetzung enthält.
1946 demonstrierte Solomon Asch, dessen Studie zur Konformität wir schon kennengelernt haben, mit welcher Macht die Sprache
unsere soziale Wahrnehmung färbt. Mit kleinsten Eingriffen verändert sie unsere Sichtweisen. Aschs Arbeit gilt mittlerweile
als die klassische Studie über die Art und Weise, wie wir Eindrücke bilden. Seine Methode war folgende: Er teilte seine Versuchspersonen
in zwei Gruppen und legte ihnen eine Liste mit Charakterbeschreibungen vor, die sich alle – so die Vorgabe – auf ein und dieselbe
Person bezogen. Allerdings wichen die Listen der beiden Gruppen in einem und wie sich zeigte wesentlichen Punkt voneinander
ab.
Auf der Liste der ersten Gruppe stand:
Intelligent, geschickt, fleißig, warm,
entschlossen, praktisch, vorsichtig.
Auf der Liste der zweiten Gruppe stand:
Intelligent, geschickt, fleißig, kalt,
entschlossen, praktisch, vorsichtig.
Haben Sie den Unterschied bemerkt? Die Listen sind identisch – bis auf die unauffällig mitten in die Reihe geklemmten Wörter
»warm« und »kalt«.
Nachdem die beiden Gruppen ihre Liste erhalten hatten, forderte Asch die Versuchspersonen auf, weitere Charaktereigenschaften
hinzuzufügen, die sie einer zusätzlichen Liste entnehmen sollten und die ihrer Ansicht nach zu dem eingangs vorgestellten
Persönlichkeitsprofil passten. Asch wollte herausfinden, ob die Differenz »warm/kalt« einen Einfluss auf die Auswahl zusätzlicher
Attribute hatte. Und es zeigte sich zweifelsfrei, dass ein solcher Einfluss besteht.
Die Gruppe, die die Liste mit »warm« erhielt, entnahm der Ergänzungsliste Eigenschaften wie »humorvoll« und »großzügig«. Im
Gegensatz dazu suchte die Gruppe, die die Liste mit dem Wort »kalt« erhalten hatte, Eigenschaften wie »berechnend« und »unsympathisch«
aus – wenig schmeichelhaft im Vergleich zu ihren Gegenstücken »fröhlich« und »großzügig«. 2 Eine Folgestudie ging noch einen Schritt weiter: Diesmal erhielten zwei Gruppen von Studenten eine fiktive Beschreibung eines ebenfalls fiktivenGastdozenten. Genau wie in Aschs Studie enthielt diese Vorstellung je nach Gruppe entweder das Wort »warm« oder »kalt«. Die
Frage an die Versuchspersonen war, mit welchem der »beiden« Dozenten sie sich gerne nach der Vorlesung zu einem Gespräch treffen
würden. Natürlich bekam der »warmherzige« den Vorzug.
Das falsche Wort
Im Zoo sieht ein Mann, wie ein kleines Mädchen in den Graben fällt, der das Löwengehege von den Besuchern abgrenzt. Ein Löwe
nähert sich dem Graben. Die Eltern kreischen hysterisch. Der Mann rennt hinzu, springt ihr nach und haut dem Löwen mit seinem
Regenschirm auf die Schnauze. Der Löwe zieht sich zurück. Beide können den Graben verlassen. Die Eltern sind überglücklich.
Ein Reporter hat die Szene beobachtet. »Sir«, sagt er zu dem Mann, »das war das Tapferste, was ich je in meinem Leben gesehen
habe.« Der Mann zuckt mit den Schultern. »Das war nichts Besonderes«, sagt er. »Ich wusste, Gott würde mich beschützen, so
wie er Daniel in der Löwengrube beschützt hat. Als ich sah, dass das kleine Mädchen in Gefahr war, habe ich einfach getan,
was notwendig war.« Der Journalist ist verblüfft. »Sind Sie religiös?«, fragt er. »Ja«, sagt der Mann, »ich bin überzeugter
Christ. Ich komme gerade aus der Messe.« – »Ich bin Journalist«, antwortet der Reporter. »Ich werde dafür sorgen, dass Sie
morgen auf der Titelseite sind. Ich werde sicherstellen, dass Ihre tapfere Tat nicht unbemerkt bleibt.« Am nächsten Tag lautet
die Headline: »Christlicher Fundamentalist greift afrikanischen Immigranten an und stiehlt sein Essen.«
Worte sind, so viel sollte inzwischen deutlich geworden sein, psychoaktiv. Akustisch aufgenommen und in Millisekunden dem
Gehirn übermittelt, können sie schneller als Crack, Black oder sonst ein Stoff, den wir in dunklen Ecken kaufen, unsere Handlungsweise
ändern und unsere Denkmuster beeinflussen.
Wie Medienleute wissen, kann das richtige Wort unsere Aufmerksamkeit ebenso leicht fesseln und unsere Gefühle anheizen wie
die größte Reklametafel. Einschlägig in dieser Hinsicht ist die Karriere von »politisch korrekten« Wendungen. 2005 gab der
Verein Global Language Monitor, der, wie sein Name sagt, den Sprachgebrauch beobachtet, eine nicht ernst gemeinte Liste mit
den politisch
Weitere Kostenlose Bücher