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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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der Verantwortung unmerklich. Die Kunden können den Plan des Restaurantbesuchs nicht einfach fallen
     lassen, ohne zugleich auch sich selbst fallen zu lassen.
    Natürlich hat Sinclairs Technik in der Literatur zur sozialen Beeinflussung einen Namen: Man spricht von
Foot-in-the-Door
, vom Fuß in der Tür. Zu offiziellen Ehren kam diese Technik 1966 durch ein Experiment der Forscher Jonathan Freedman und
     Scott Fraser. Das Ergebnis war so unerwartet, dass ihnen ein in den Annalen der Wissenschaft seltenes Kunststück gelang: Sie
     waren selbst verblüfft. Ins Rollen kam der Ball in einem schicken, wohlhabenden Viertel von Palo Alto, Kalifornien. Ein Verbündeter
     der Wissenschaftler, in der Rolle eines ehrenamtlichen Helfers, ging von Haus zu Haus und überfiel die Bewohner mit einem
     recht ungewöhnlichen Vorschlag: Ob sie eine riesige öffentliche Reklametafel mit der Aufschrift FAHRE VORSICHTIG mitten auf
     dem Rasen ihres Vorgartens aufstellen würden.
    Um den Bewohnern die Entscheidung zu erleichtern, wurde ihnen ein Bild von der geplanten Plakatwand gezeigt. Schön war sie
     nicht gerade. So hoch wie ein Haus sollte sie sein und den Blick aufs Haus versperren. Kein Wunder, dass die meisten (73   Prozent) den Forschern mit unmissverständlichen Worten sagten, was sie mit der Riesentafel machen könnten. Dann aber war da
     eine zweite Gruppe von Bewohnern, die zu 76   Prozent in die Aufstellung der Plakatwand einwilligten. Halten Sie das fürmöglich? Ich wollte es nicht glauben, als ich das las. Was war an dieser Gruppe anders? Waren das Verrückte? Wurden sie bestochen?
     Was mochte sie dazu veranlasst haben, in so eklatanter Weise den Durchblick zu verlieren? Ihre Rasensprenger einzupacken und
     sich von ihren Hortensien zu verabschieden?
    Die Antwort ist verblüffend einfach. Zwei Wochen vor dem Besuch des ersten hatte bei dieser Gruppe ein anderer »Ehrenamtlicher«
     an die Türen geklopft – mit einer sehr viel harmloseren Anfrage. In den Frontfenstern der Häuser sollte ein kleines Plakat
     mit den Worten SEI EIN VORSICHTIGER FAHRER angebracht werden. Kein Problem. Gefragt wurde nach einem kleinen Gefallen und
     die Anfrage stand im Einklang mit nachbarschaftlichen Gefühlen, so dass fast alle einverstanden waren.
    Sie ahnten nicht, was sie sich damit eingehandelt hatten. Mit der kleinen Anfrage – in die man einmal eingewilligt und die
     man dann vergessen hatte – bewegten sich nur die ersten, leicht gekräuselten Wellen eines Engagement-Tsunamis, der sich nun
     aufschaukelte. Wie eine Droge hatte er die Zustimmung zu einer viel folgenreicheren Anfrage erwirkt, die nicht lange auf sich
     warten ließ: die Aufstellung einer ins Riesenhafte vergrößerten, geradezu barocken Plakatwand.
    Verkäufer von Doppelglasscheiben auf der ganzen Welt setzten sich plötzlich aufrecht hin und nahmen Notiz. Die Katze war aus
     dem Sack. Wer großes Getöse erreichen will, muss zunächst auf leisen Sohlen kommen. Wenn man jemanden dazu bringen will, mit
     einer Unterschrift sein ganzes Leben zu ruinieren, sollte man erst mal darüber reden, wie es denn mit einem Tag wäre.
    Künstliche Hindernisse
    Im Geschäftsleben gibt es noch eine andere, mit dem Foot-inthe-Door verwandte Technik, das
Low-Balling
. Dieses Den-Ball-flach-Halten lernte ich kennen, als ich während meines Studiums einen Ferienjob als Verkäufer von Fernsehgeräten
     hatte. Die Routine war folgende: Ein Kunde betritt den Laden undschlendert von einem Apparat zum anderen. Der Verkäufer – ich zum Beispiel – geht auf den Kunden zu, plaudert mit ihm über
     das Wetter, macht irgendwann ein Angebot, das deutlich niedriger ist als in den Läden der Umgebung, und der Kunde springt
     an. Der Verkaufsleiter allerdings hat anderes im Sinn. Der Kunde weiß das nicht, aber der Verkaufsleiter ist gar nicht daran
     interessiert, das Geschäft auf dieser Basis zu machen. Das will keiner von uns, jedenfalls nicht zu dem genannten Preis. Das
     war nur ein Ablenkungsmanöver, der Köder; kurz, ein psychologischer Bühnenzauber, um den Kunden zum Entschluss zu verführen,
     den Kauf zu tätigen.
    Wenn dies gelungen war, folgte ein byzantinisches Ritual mit allerhand Prozeduren, die dafür sorgen sollten, dass es bei der
     Kaufentscheidung blieb: umständliche Vertragsverhandlungen, man bot Ratenzahlung an und erläuterte dann so erschöpfend wie
     möglich, welche finanziellen Abmachungen getroffen wurden. Großzügig forderte man den Kunden auf, den

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